Begonnen:
Oktober 1993 / Beendet: Juni 1994
Ferdinand
Flink und der Weihnachtsmann
Personen:
Ferdinand Flink
Reporter; klein, flink wie
ein Wiesel; eine gute Story ist für ihn das Wichtigste - unser „Held“
Bernhard Bienchen
groß, schlank, eine
Art Butler; diensteifriger, pflichtbewußter, fürsorglicher Sekretär
und "Mädchen für alles" des Weihnachtsmanns; ein wenig ungeschickt
und hektisch; chronisch verschnupft
Weihnachtsmann
ja, genau der!; privat äußerst
faul; verspielt; ein "großes Kind"; launisch; naschhaft, arbeitet
nur einen Tag im Jahr; sieht aus, wie der Weihnachtsmann eben aussieht
Dr. Bärig
sehr gutmütiger, lieber,
gemütlicher (um nicht zu sagen: träger) Zahnarzt; Aussehen: zum
Charakter passend, in Urlaubskleidung (Hawaiihemd…)
Frau Bärig
ebenso gutmütig wie
ihr Mann; patente, praktisch denkende Hausfrau, sehr selbstsicher
Dr. Spitz
ebenfalls Zahnarzt, der
"Böse"; haßt nichts mehr als Süßigkeiten und will
deshalb Weihnachten abschaffen (nach den Feiertagen hat er schließlich
immer noch mehr Arbeit); richtig intriganter, fieser Kerl
Fräulein Geier
Kollegin von Herrn Flink;
Klatschreporterin; haßt Weihnachten; ebenso fies wie Dr. Spitz; unterstützt
dessen Pläne
außerdem:
mehrere Wichtel
schweigsam; fleißig;
tun alles, was man ihnen sagt; sind alle der Reihe nach numeriert
Rentiere (3 Stück)
heißen: Donner, Blitz
und (natürlich!) Rudolf
1. Bild
Flink irrt durch den
Zuschauerraum, der eine Eiswüste darstellt; hantiert mit Karte und
Kompaß
FLINK
Meine Güte,
ist das kalt hier! ‘ Ist ja auch kein Wunder, der
Nordpol muß ja gleich da hinten um die Ecke sein. Offensichtlich
bin ich auf dem richtigen Weg. Ich will nämlich zum Weihnachtsmann.
Den kennt ihr doch? Aber sicher! Das ist der mit dem langen weißen
Bart und rotem Mantel und... achso, ihr wißt schon, wen ich meine.
Schön, schön. Mein Chef hat gesagt, ich soll den interviewen,
ausfragen, weil doch heute Weihnachten ist. Offen gesagt, bezweifle ich
ja, daß der mich gerade jetzt zu sich ‘reinlässt. Der hat doch
bestimmt genug mit Geschenke einpacken und so zu tun, und sicher gar keine
Zeit für einen kleinen Reporter wie mich. Ich bin übrigens Ferdinand
Flink. Neuigkeiten sind meine Aufgabe, Nachrichten mein Beruf. Oje, jetzt
muß ich aber wirklich weiter… . Das Haus da drüben muß
es ja schon sein. Kommt ihr mit? Gut. Na dann los.
er stapft zum Haus
des Weihnachtsmanns (Bühne), klopft, Bienchen öffnet
FLINK
Guten Tag. Bin ich hier
richtig beim Weihnachtsmann?
BERNHARD
Sicher. Guten Tag, mein
Herr. Womit kann ich dienen?
FLINK
Mein Name ist Flink, und
ich komme von der DESSAUER POST.
BERNHARD
Ach, bringen sie die neuen
Teetassen?
FLINK
Teetassen? Wieso? - Nein,
ich meine die Zeitung "Dessauer Post", natürlich. Ich bin Reporter
und kein Briefträger. Ich bin gekommen, um mit dem Weihnachtsmann
zu sprechen. Wir wollen einen Artikel über ihn und seine Arbeit drucken.
BERNHARD
Aha, so ist das also. Tja,
ich glaube, ich muß sie enttäuschen, mein Herr. Der Weihnachtsmann
ist im Moment für niemanden zu sprechen.
FLINK
Das habe ich befürchtet.
Er hat wohl sehr viel zu tun?
BERNHARD
Das ja nun nicht gerade...Ach
du meine Güte! Sie sind ja ganz durchgefroren. Kommen sie erstmal'
rein, und wärmen sie sich auf! Vielleicht kann ich ihnen ja ein paar
ihrer Fragen beantworten, ihnen alles zeigen und so weiter... .
FLINK
Danke, das wäre wirklich
furchtbar nett.
Beide gehen rein
Innenraum Haus, Großteil
Werkstatt, kleiner Nebenraum mit Büroausstattung (zwei Sessel, Tisch,
Schreibtisch etc.) Wichtel wuseln geschäftig herum; Flink schreibt
im Folgenden immer fleißig mit
BERNHARD
Setzen sie sich doch.
Mein Name ist übrigens Bienchen. Sie können
mich auch Bernhard nennen, wenn sich möchten. Das machen hier alle.
FLINK
Na gut. Ich heiße
Ferdinand. - Was machen sie hier eigentlich so?
BERNHARD
Ich arbeite hier als Sekretär.
Der ganze Papierkram, sie wissen schon...
FLINK
Interessant. Und was machen
sie genau?
BERNHARD
Ich passe auf, daß
immer genug Material für das ganze Spielzeug da ist, das die Wichtel
herstellen. Stoff für Puppenkleidchen, Holz und Schrauben für
Spielzeugautos und so weiter. Vor allem aber lese ich die vielen Briefe
der Kinder.
FLINK
Das muß aber interessant
sein.
BERNHARD
Ganz im Gegenteil.
Das ist ganz schön langweilig, glauben sie mir. Hier zum Beispiel:
das ist der Brief von der kleinen Sabine. Da steht:
„Lieber Weihnachtsmann
!
Ich wünsche mir: 1.
ein Fahrrad
2. ein Puppenhaus
3. eine Tüte Himbeerbonbons“
Und Michael schreibt:
„Lieber Weihnachtsmann
!
Dieses Jahr möchte
ich: 1. einen Hamster
2. einen Hamsterkäfig
3. Hamsterfutter
4. ein Kilo Gummibärchen“
Und so geht das immer weiter,
eine Wunschliste nach der anderen. Alles nur numeriert. Und ich muß
das natürlich aufschreiben und an die Wichtel weiter geben. Die bauen
dann das Puppenhaus und kochen die Gummibärchen.
FLINK
So ist das also… .
BERNHARD
Wollen sie mal die Küche
sehen?
FLINK
Ja, sehr gern. - Das riecht
hier aber lecker.
BERNHARD
Nicht doch! Vorsicht! Finger
weg!
FLINK
Was ist das?
BERNHARD
Das ist die Gummimasse für
die Spielzeugautoreifen!
FLINK
Igitt! Danke für die
Warnung!
BERNHARD
Aber hier können
sie ruhig mal probieren. Das ist unsere neueste Erfindung. Gummibärchen
mit „Saure Gurke“ - Geschmack.
FLINK
Mmh. Naja… Das wird bestimmt
kein Erfolg.
BERNHARD
Meinen Sie? Schade. Also
mir schmeckt das eigentlich recht gut.
FLINK
Wirklich?
BERNHARD
Das liegt vielleicht daran,
daß man hier keine sauren Gurken bekommt. Die habe ich früher
sehr gemocht, doch seit ich hier arbeite… Am Nordpol wächst eben kein
Gemüse.
FLINK
Und wo haben sie ihre Werkstatt?
BERNHARD
Da drüben. Kommen sie
mal mit. Achtung! Renn mich doch nicht um! Vorsicht!
Er schlängelt
sich durch eine Menge hektisch - beschäftigter Wichtel
FLINK
Meine Güte, die sind
ja putzig, und so flink.
BERNHARD
Finden sie? Ja, arbeiten
tun sie, das muß man sagen, aber sehr gesprächig sind sie nicht.
FLINK
Wirklich? Meinen sie nicht,
ich könnte mich mal mit einem unterhalten? Vielleicht mit dem da?
BERNHARD
Naja, einen Versuch wär's
wert. Nummer 26, kannst du mal kurz kommen?
NR. 26
Keine Zeit, Herr Bienchen,
ich habe absolut keine Zeit. Die Rentiere müssen gefüttert werden,
und dann noch ihre Bürotür geölt und...
BERNHARD
Das ist schon in Ordnung,
geh nur. Sehen Sie, so ist das mit den Wichteln. Man kann sich überhaupt
nicht mit ihnen unterhalten. Wuseln die ganze Zeit durch die Gegend
und sprechen kein Wort. Manchmal bin ich hier ganz schön einsam -
auch wenn so viele Leute da sind.
FLINK
Kann ich verstehen. - Aber
mit dem Weihnachtsmann können sie doch reden, oder?
BERNHARD
Da irren sie sich. Leider.
Die meiste Zeit verbringt er in seinem Zimmer. Das ist hinter der Tür
da drüben.
FLINK
Ach, und was macht er da
drinnen?
BERNHARD
Also, er sagt ja, er müsse
Pläne machen.
FLINK
Was denn für Pläne?
BERNHARD
Naja, so „Flugpläne“
- wo er mit den Rentieren zuerst hinfliegt und so. Aber die sind doch sowieso
immer gleich. Und außerdem, sagt er, müsse er sich noch ausruhen
- vom letzten Weihnachtsfest.
FLINK
Noch ein Jahr danach? Das
ist doch lächerlich!
BERNHARD
Ja, nicht wahr? Also
psst - sagen sie’s keinem weiter - ich glaube ja, daß er da drin
gar nichts tut - oder zumindest nichts Sinnvolles.
FLINK
Sie und die Wichtel machen
also die ganze Arbeit, und er faulenzt das ganze Jahr nur so herum?
Na, das ist ja gemein!
BERNHARD
Ich fürchte, so ist
es. Das heißt, ab und zu kommt er mal ‘raus und begutachtet
die Spielzeuge, die die Wichtel hergestellt haben. Vorige Woche war er
zum Beispiel in der Küche, hat in alle Töpfe geguckt und natürlich
auch genascht. Das macht er öfter.
FLINK
Und dann verschwindet er
wieder?
BERNHARD
Ja. Nur zu Weihnachten selbstverständlich,
da arbeitet er. Und, wenn ich das sagen darf, einfach ist seine Arbeit
sicher nicht.
FLINK
Bestimmt. - Was… was steht
denn da vor seiner Tür?
BERNHARD
Bitte was? Wo?
FLINK
Da unten. Links.
BERNHARD
Ach das. - Das ist nur das
Abendessen vom Chef.
FLINK
Abendessen? Aber es ist
doch schon wieder 10 Uhr morgens!
BERNHARD
Ja, mmh, da haben sie recht.
Und das Frühstück von heute steht auch noch daneben. Komisch.
Sonst läßt er sein Essen nie stehen.
FLINK
Was ist es denn? Vielleicht
mag er es ja nicht.
BERNHARD
Das bezweifle ich.
Der Weihnachtsmann mag alles. Außerdem bekommt er jeden Tag
das gleiche, und bisher hat er sich noch nie beschwert - im Gegenteil,
er will gar nichts anderes als Milchreis mit Zucker und Zimt und zum Nachtisch
Vanillepudding. Viel Zucker und viel Zimt. Manchmal möchte er auch
Apfelmus.
FLINK
Und das ißt er jeden
Tag? Wie langweilig. Ich glaube, ich würde das keine Woche lang durchhalten.
Immer nur süßen Milchreis - igitt! Das kann doch nicht gesund
sein.
BERNHARD
Ich glaube auch nicht, daß
das richtig ist, aber er will nun mal nichts Anderes. Er ist der Boss,
und ich kann's nicht ändern. Im übrigen war er noch nie krank.
Solange ich hier bin, hat er noch nicht einmal einen Schnupfen gehabt.
FLINK
Im Gegensatz zu ihnen wie
mir scheint...
BERNHARD
Jaja, ganz recht. Ich werde
mich wohl nie an diese Kälte gewöhnen. Aber das mit dem Weihnachtsmann
ist schon eigenartig. (ruft) Hallo Chef, ist da drinnen alles
in Ordnung? Geht's ihnen auch gut?
WEIHNACHTSMANN (von
innen)
Alles in Ordnung, Bernhard.
Mir geht’s prima.
FLINK
Das klingt aber seltsam,
spricht er immer so undeutlich?
BERNHARD
Nein, eigentlich nicht.
Sie wissen schon: „HoHoHo“ und so weiter... (ruft) Sie haben
noch nichts gegessen, dabei müssen sie doch heute fit sein. Schließlich
ist heute ihr Abend! Oder sind sie etwa aufgeregt? Außerdem könnten
sie wirklich einmal da herauskommen.
WEIHNACHTSMANN
Ich aufgeregt? Bestimmt
nicht. Und es ist doch noch soviel Zeit bis heute Abend, da bleibe ich
lieber noch hier. Aber kannst du mir vielleicht einen Gefallen tun? Borg’
mir doch eine von deinen Wärmflaschen, ja?!
BERNHARD (zu Flink)
Das ist ja seltsam,
er haßt doch Wärme. Deswegen leben wir ja überhaupt
am Nordpol, wegen der Kälte.
FLINK
Ach so ist das. Wozu könnte
er denn eine Wärmflasche brauchen? Haben sie vielleicht eine Idee?
BERNHARD
Ich habe keine Ahnung.
Ich lege sie abends in mein Bett, damit es nachts nicht so kalt ist
- wegen des Schnupfens - hatschi!
FLINK
Gesundheit!
BERNHARD
Danke. Aber dazu wird er
es wohl nicht brauchen. Was meinen sie, Ferdinand?
FLINK
Ich benutze eigentlich nie
Wärmflaschen.
BERNHARD (ruft)
Sicher, Chef, bin gleich
wieder da. (zu Flink) Ich laufe mal eben los und hole,
was er will. Würden sie hier warten? Vielleicht fällt ihnen ja
doch eine Erklärung ein.
FLINK
Ja, in Ordnung, ich denke
mal nach. (Bienchen läuft los, verschwindet irgendwo;
Flink steht ziemlich verdattert da) Armer Kerl! Er scheint hier
wirklich alles zu tun. Vermutlich wird er nicht mal bezahlt
dafür. Und dann diese langweiligen Briefe... (zum Publikum)
Schreibt ihr auch an den Weihnachtsmann? Ja? Wenn ihr das das nächste
Mal macht, laßt euch doch mal was einfallen. Ihr könnt ja einen
Witz auf den Umschlag schreiben oder so. Damit Bernhard, ich meine Herr
Bienchen, auch mal was zu lachen hat. Aber was ist jetzt mit dem Weihnachtsmann?
Wärmflaschen. Wozu braucht man Wärmflaschen? Klar, um etwas warmzuhalten
oder zu erwärmen. Habt ihr eine Idee, was man mit einer Wärmflasche
anfängt? Habt ihr welche zu Hause? Du? Ja? Wann benutzt du sie denn?
Aha, wenn du Bauchweh hast. Das könnte eine Möglichkeit sein.
Danke. Mal sehen, ob uns das weiter bringt... Ach, da kommt ja der Herr
Bienchen schon wieder. Herr Bienchen ! Hier bin ich!
Bienchen kommt keuchend
wieder angerannt, natürlich mit Wärmflasche, mit der er, da diese
ja sehr heiß ist, unbeholfen jongliert
BERNHARD
Ach da sind sie ja. Meine
Güte, ist die heiß. Nehmen sie mal kurz? Danke. Puh...und
ist ihnen was eingefallen?
FLINK
Naja, vielleicht hat er
ja Bauchweh. Da ist so eine Wärmflasche... können sie sie
wieder nehmen? Die ist wirklich heiß. Danke. Ich meinte, wenn man
Bauchweh hat, ist so eine Wärmflasche ganz angenehm.
BERNHARD
Bauchweh? - Kann ich
mir kaum vorstellen. Das ist schließlich noch nie vorgekommen.
Aber möglich wär's schon. Ich werde ihm erstmal die Flasche bringen.
Vielleicht kann ich ja etwas herausfinden.
FLINK
Meine Güte, ist das
aufregend! Warten sie auf mich! Ich komme mit!
vor der Tür, Bienchen
klopft
WEIHNACHTSMANN
Was gibt's?
BERNHARD
Ich bin's, ich wollte bloß
ihre Wärmflasche bringen.
WEIHNACHTSMANN
Leg sie vor die Tür,
ich hol' sie mir dann nachher, Bernhard.
BERNHARD
So ein Unsinn! Die wird
doch kalt, Chef. Machen sie doch die Tür auf, dann kann ich sie ihnen
ins Zimmer bringen.
WEIHNACHTSMANN
Nicht nötig, ich komme
ja schon.
ein Bett knackst, wir
hören ein Tapsen, ein Schlüssel dreht sich im Schloß und
die Tür öffnet sich einen Spalt breit, die Hand des Weihnachtsmanns
erscheint im Spalt
WEIHNACHTSMANN
Nun gib schon her!
BERNHARD (völlig
verdattert)
Bitteschön.
WEIHNACHTSMANN
Autsch, Aua, Aua, Aua, ist
das heiß !
FLINK und BERNHARD
Hinein!!!
Bienchen und
Flink nutzen die Gelegenheit um ins Weihnachtsmann - Zimmer
zu schlüpfen
2. Bild
Weihnachtsmann - Zimmer,
ein breites Bett, überall Weihnachtsdeko und mittendrin ein
ziemlich verstörter Weihnachtsmann, der, wenn er gerade nichts sagt,
die ganze Zeit herumjammert
BERNHARD
Oh nein, Chef, was ist denn
mit ihnen passiert?
WEIHNACHTSMANN
Oh. Bernhard...Bernhard
hilf mir! Es tut ja so weh. Es tut ja soo weh!
BERNHARD
Chef, beruhigen sie sich
doch! Meine Güte, was ist denn los?
WEIHNACHTSMANN
Ich hab…
BERNHARD
…doch nicht etwa…
FLINK
…Zahnschmerzen?
WEIHNACHTSMANN
Ja leider.
BERNHARD
Aber wie denn, was denn...
wo denn?
WEIHNACHTSMANN
Daaa! Hilf mir doch!
BERNHARD
Auch das noch!
FLINK
Guten Tag erstmal. Obwohl,
so gut scheint der Tag ja nicht zu sein.
WEIHNACHTSMANN
Wer ist das eigentlich?
FLINK
Flink. Mein Name ist Flink.
Ich bin Reporter. Es scheint, als hätten wir, ich meine sie, da ein
kleines Problem.
WEIHNACHTSMANN
In der Tat...
BERNHARD
Sie haben wohl zu viel in
der Küche genascht, Chef?
WEIHNACHTSMANN
Keine Vorwürfe - Bitte.
BERNHARD
Tut mir leid, tut mir leid.
- Wir müssen was tun!
WEIHNACHTSMANN
Aber was?
FLINK
Ich kenne da einen sehr
guten Zahnarzt...
WEIHNACHTSMANN
Kommt nicht in Frage! Ich
gehe zu keinem Zahnarzt, niemals!
BERNHARD
Aber was wollen sie denn
sonst machen? Haben sie vor, den Rest ihres Lebens mit diesen Schmerzen
zu verbringen?
FLINK
Das hält doch keiner
aus. Und denken sie doch mal an die vielen Kinder, die heute Abend alle
auf sie warten!
BERNHARD
Stimmt ja, es ist Weihnachten,
Chef! Sie können doch so keine Geschenke verteilen. Wir müssen
sie in die Stadt bringen. Wir haben keine andere Wahl. Sonst fällt
Weihnachten aus. Stellen sie sich das mal vor!
FLINK
Das vorstellen? Lieber nicht!
Das wäre ja eine Katastrophe!
WEIHNACHTSMANN
Und wenn schon! Die
werden ja auch mal ein Jahr ohne mich klarkommen! Die Kinder glauben doch
sowieso nicht mehr an mich!
FLINK
Stimmt das? Das kann ich
nun wieder gar nicht glauben!
BERNHARD
Natürlich ist das Quatsch.
Sie wissen das ganz genau, Chef! Das ist doch bloß so eine blöde
Ausrede!
FLINK
Sie haben ja bloß
Angst vor dem Zahnarzt - sie Feigling!
WEIHNACHTSMANN
Dann bin ich eben einer!
Na und? Mich bringt niemand irgendwohin! Macht Platz!
Es findet eine wilde
Verfolgungsjagd durch die Räumlichkeiten statt. Schließlich
wird der Weihnachtsmann von Flink und einigen Wichteln auf einem Stuhl
„festgenagelt“
FLINK
Ich hab ihn!
WEIHNACHTSMANN
Loslassen!
BERNHARD
Nichts da! Gut festhalten.
Ich komme. So. Und nun sollten wir uns aber beeilen, daß sie
zu diesem Zahnarzt kommen.
FLINK
Der heißt übrigens
Dr. Bärig und ist wirklich nett.
WEIHNACHTSMANN
Aber ich will nicht! Nein!
Wenn das bloß - autsch - nicht so weh tun würde.
BERNHARD
Und das wird auch weiter
so weh tun, wenn sie nicht endlich vernünftig werden.
WEIHNACHTSMANN
Was ist denn so schlimm
daran unvernünftig zu sein?
FLINK
Gar nichts.
WEIHNACHTSMANN
Na bitte, da hörst
du’s Bernhard.
FLINK
Vorausgesetzt man hört
auch irgendwann damit auf - mit dem Unvernünftigsein, meine ich -
besonders wenn man so alt ist wie sie. Kinder dürfen das noch öfter
- aber doch nicht der Weihnachtsmann. Immerhin sind sie ein Vorbild!
WEIHNACHTSMANN
Sie haben ja recht, aber…
Gibt's denn wirklich keine andere Möglichkeit?
FLINK und BERNHARD
Nein!
WEIHNACHTSMANN
Wirklich?
FLINK und BERNHARD
Wirklich!
WEIHNACHTSMANN
Na gut.
FLINK
Da gibt's aber ein Problem:
Wie um alles in der Welt wollen wir so schnell eine so lange Strecke zurücklegen?
Ich habe schließlich schon zwei Tage bis hierher gebraucht!
BERNHARD
Aber Ferdinand, wir haben
doch die Rentiere - die sind so schnell, daß sie und der Weihnachtsmann
schon in der Stadt sind, bevor sie auch nur ein einziges Mal "Oh Tannenbaum"
gesungen haben.
WEIHNACHTSMANN
Kommst du denn nicht mit?
Du kannst mich doch nicht so einfach allein lassen…
BERNHARD
Und was wird aus den Vorbereitungen?
Ich habe doch noch so viel zu tun! Ich habe wirklich keine Zeit!
WEIHNACHTSMANN
Du redest ja schon wie die
Wichtel!
BERNHARD
Auf die muß ich ja
auch noch aufpassen. Ferdinand?
FLINK
Ja?
BERNHARD
Meinen sie… ich meine… könnten
sie… vielleicht? Möglicherweise?
FLINK
Sie meinen: Ich soll mit
dem Weihnachtsmann zu Doktor Bärig …ääh… reiten?
BERNHARD
Nein. Sie nehmen natürlich
den Schlitten!
FLINK
Achso, na klar. Kein Problem.
WEIHNACHTSMANN
Aber ich will nicht! Nicht
ohne Bernhard.
FLINK
Keine Angst. Ich passe schon
auf sie auf.
WEIHNACHTSMANN
Wirklich? Na gut, wenn’s
unbedingt sein muß…
BERNHARD
Ja, das muß sein!
Ich schaue auch ab und zu mal auf das Rentierradar, wo ihr seid. In Ordnung?
FLINK
Rentierradar?
BERNHARD
Jedes Rentier trägt
so eine rote Schleife am Geweih. Diese Maschine erkennt alle roten
Schleifen, die an Rentiergeweihen befestigt sind. Und da unsere Rentiere
die einzigen weit und breit sind, die rote Schleifen am Geweih haben, wird
hier auf diesem Bildschirm immer angezeigt, wo sich unsere lieben Tierchen
gerade befinden. Verstanden?
FLINK
Naja, so ein wenig zumindest…
BERNHARD
Das ist ja auch nicht soo
wichtig. - Nr. 762!
NR. 762
Ja, Chef?
BERNHARD
Bitte hol doch mal den Schlitten.
NR. 762
Geht klar, Chef.
WEIHNACHTSMANN
Chef? Ich bin hier der Chef!
Das dachte ich zumindest.
Irgendwoher taucht
ein Schlitten mit zwei Rentieren (mit Schleife) davor auf
WEIHNACHTSMANN
Da kommen ja meine Lieblinge.
Das sind Donner und Blitz. Hallo ihr zwei.
FLINK (leicht skeptisch)
Hallo Donner. Hallo Blitz.
Donner und Blitz schnauben
fröhlich und sind auch sonst recht lieb
BERNHARD
Schön, daß ihr
euch versteht. So, dann steigt mal auf. Viel Glück! Und kommt bald
wieder!
WEIHNACHTSMANN
Hoffentlich… Tschüss.
FLINK
Na dann los…
Los geht’s Richtung
Stadt, möglicherweise wird "Oh Tannenbaum" gesungen (Der Schlitten
ist schon mit Geschenken vollgeladen)
3. Bild
Stadt, in schönster
Winterstimmung; der Schlitten hält vor einem Haus, Flink steigt als
erster aus
FLINK
Da wären wir. Dr. Bärig
ist ein wirklich guter Zahnarzt. Keine Angst, Weihnachtsmann, der
ist gaaanz lieb. (schaut an die Eingangstür, an der ein Schild
hängt) Ohje, ich glaube wir haben Pech. Schauen sie mal, was
hier steht: Wegen Urlaub auf einsamer Insel geschlossen.
WEIHNACHTSMANN
Wer verreist denn zu Weihnachten?
Das gibt’s doch nicht!
FLINK
Und was machen wir jetzt?
Vielleicht… Moment mal. Hier steht noch was: Notfallvertretung Dr. Spitz.
WEIHNACHTSMANN
Ich bin ein Notfall!
FLINK
Sicher. - Und wo wohnt jetzt
dieser Dr. Spitz? Keine Ahnung. Aber… Ja! Ich glaube...ja natürlich!
Der muß doch im Telefonbuch stehen. Haben sie vielleicht eins dabei?
Nicht? Schade. Du aber, oder? Auch nicht. Tja, wo bekomme ich jetzt ein
Telefonbuch her? In meinem Büro liegt eins. Wir müssen in mein
Büro!
WEIHNACHTSMANN
Dafür haben wir keine
Zeit. Ich halte das nicht mehr aus! Es tut ja soo weh!
FLINK
Naja, dann muß ich
halt im Büro anrufen. Irgendwer wird da ja wohl für mich mal
nachschauen können. Aber wie? Ich habe doch gar kein Telefon!
WEIHNACHTSMANN
Aber ich! Moment mal.
er kramt zwischen den
Geschenken auf dem Schlitten herum und holt ein Mobiltelefon hervor
WEIHNACHTSMANN
Hier, ich hab's gefunden!
Wie funktioniert das jetzt? Egal, Herr Flink, fangen sie! Hepp!
FLINK
Was sich die Leute nicht
so alles wünschen... . Na ja. (er wählt eine Nummer)
Hallo... Hier ist Flink... wer ist da?... ach, sie sind's Fräulein
Geier… Können sie mir helfen? Ich habe da ein kleines Problem… nein,
ich bin nicht mehr beim Weihnachtsmann, das heißt, doch eigentlich
schon, aber… spielt keine Rolle...Ich brauche die Adresse oder Telefon-nummer
von einem gewissen Dr. Spitz...der ist Zahnarzt, schauen sie ins Telefonbuch...auf
meinem Schreibtisch! ...ja gut, ich warte… --- ...da sind sie ja
wieder... aha, Turmweg 23 also... ja, das ist gleich hier gegenüber,
so ein Zufall...Bitte?...der Weihnachtsmann ist bei mir, wirklich, glauben
sie mir doch… Ja es gibt ihn, auch wenn sie's nicht glauben wollen...ich
weiß, Weihnachten ist ihnen ein Greuel... deswegen arbeiten sie ja
auch heute, anstatt zu feiern!… ja wiederhören! - Dumme Gans!
WEIHNACHTSMANN
Wer war denn dran?
FLINK
Bloß Fräulein
Geier. Sie arbeitet auch bei unserer Zeitung, zuständig für die
Klatschspalte. Sehr unangenehme Person - und sie haßt Weihnachten.
WEIHNACHTSMANN
Wieso denn das?
FLINK
Sie hält das alles
für Betrug.
WEIHNACHTSMANN
Solche Leute gibt' s immer,
traurig zwar, aber was soll’s - um so weniger hab
ich zu tun. Ich gehe schließlich nur da hin, wo man an mich glaubt.
FLINK
Was meinen sie, wie die
mich ausgelacht hat, als ich ihr erzählt habe, ich würde zum
Weihnachtsmann fahren, um ihn zu interviewen? - Sie sagte, ich wäre
verrückt, aber ich glaube, sie ist es wohl eher.
WEIHNACHTSMANN
Nicht verrückt, nur
arm dran.
FLINK
Auf jeden Fall ist sie einfach
unausstehlich. Aber was erzähl ich da? Wir müssen los! Da vorne,
gleich gegenüber. Lassen sie den Schlitten ruhig hier stehen. Dessau
ist eine ehrliche Stadt, hier kommt nichts weg.
WEIHNACHTSMANN
Hoffentlich.
FLINK
Außerdem sind hier
so viele Leute, die aufpassen, daß unserem Schlitten nichts passiert.
Die werden uns schon rufen, wenn was passieren sollte. Oder? - Ihr ruft
uns doch, wenn’s Probleme gibt? - Sehen sie: Sie können ganz beruhigt
sein.
WEIHNACHTSMANN
Gut. Ich glaub’s ja schon.
Wir müssen uns beeilen! Kommen sie doch endlich, sonst fährt
der andere Doktor - wie hieß er doch gleich?
FLINK
Dr. Spitz.
WEIHNACHTSMANN
Ja, sonst fährt der
auch noch in Urlaub.
sie laufen zu anderen
Bühnenende, klingeln an einem Hauseingang, Spitz öffnet
SPITZ
Ja?
FLINK
Wir brauchen ihre Hilfe,
Dr. Spitz. Das sind sie doch, oder?
SPITZ
Persönlich. Wo tut's
denn weh? Kommen sie rein.
FLINK
Nein, nein! … Ääh…
Ich nicht! Bitte. Hören sie…
SPITZ
Warum denn so ängstlich?
Kommen sie doch.
FLINK
Nicht doch. Ich bin in Ordnung.
Der Weihnachtsmann hier, der hat Zahnschmerzen.
SPITZ
Ha, Ha! Sie wollen mich
wohl auf den Arm nehmen, mich verkohlen, mir einen Bären aufbinden,
mich total lächerlich machen, was?! Das da ist doch nie der Weihnachtsmann!
Ist heute erster April?
WEIHNACHTSMANN
Nein, es ist der 24.
Dezember; und ich bin' s wirklich! Hier ist mein Schlittenführerschein.
Sehen sie, da steht's: Weihnachtsmann, Nordpol, Zweite Schneewehe links.
Bitte, helfen sie mir!
SPITZ
Sie können mir viel
erzählen. Es gibt keinen Weihnachtsmann, und ich denke eigentlich,
daß sie alt genug sind, um das einzusehen.
FLINK
So glauben sie uns doch!
Sehen sie, da drüben steht unser Schlitten mit den Rentieren. Wem
anderen als dem Weihnachtsmann sollte der denn wohl gehören?
SPITZ
Rentiere? Lächerlich!
Und was für niedliche Schleifen die am Geweih haben! Ha ha!
FLINK
Hören sie, das ist
nicht witzig! Wenn sie uns nicht helfen, fällt Weihnachten ins Wasser.
SPITZ
Das wäre auch besser
so!
FLINK und WEIHNACHTSMANN
Wie Bitte?!
SPITZ
Ich sagte, es wäre
besser, wenn Weihnachten ausfallen würde.
FLINK
Warum...
WEIHNACHTSMANN
...wäre es besser...
FLINK
...ohne Weihnachten? - Sind...
WEIHNACHTSMANN
...sie...
FLINK
...verrückt?
SPITZ
Ganz und gar nicht! Was
macht man zu Weihnachten? Können sie mir das sagen? Na?
FLINK
Weihnachtslieder singen,
Kerzen anzünden...
WEIHNACHTSMANN
...Geschenke verteilen!...
FLINK
... den Weihnachtsbaum schmücken
und, und ja was noch? Helft doch mal!
…Zurufe aus dem Publikum
wären jetzt sehr wünschenswert…
FLINK
Da hören sie's. Tausend
Gründe Weihnachten zu feiern. Bei uns zu Hause gibt's zu Weihnachten
nichts Schöneres, als mit Schürze und Bäckermütze in
der Küche zu stehen und Plätzchen zu backen, auch wenn die Küche
hinterher total durcheinander ist und wir alle knietief im Mehl stehen.
SPITZ
Da haben wir's ja! Plätzchen
backen! Und was macht man mit den Plätzchen? Bestimmt nicht an die
Vögel verfüttern.
FLINK
Ja und?
SPITZ
Ja und was? Es bleibt ja
nicht bei Plätzchen. Ich sage nur: Schoko - Weihnachtsmänner!
WEIHNACHTSMANN
Hören sie bloß
damit auf, wenn ich die schon sehe! Die ähneln mir
nie, oder seh' ich wirklich so aus?
er hat von irgendwoher
einen Schoko - Weihnachtsmann in der Hand
FLINK
Also ich finde, eine gewisse
Ähnlichkeit ist durchaus vorhanden…
SPITZ
Wie widerlich, stecken sie
das weg! Was meinen sie, wieviel Arbeit das macht, die ganzen kaputten
Zähne zu reparieren. Ich habe heute schon zwei Backenzähne gezogen
und in mindestens 30 herum gebohrt. Alles wegen dieses Ekelzeugs! Und verantwortlich
sind diese verdammten Feiertage: Ostern, Geburtstage, Hochzeiten und so
weiter, nicht zu vergessen: Weihnachten! Somit ist es auch ihre Schuld,
daß ich hier am 24. Dezember arbeiten muß.
FLINK
Ich denke, sie machen sich
nichts aus Feiertagen?
SPITZ
Eigentlich sollte ich Zuhause
mit dem Bericht der letzten Fachtagung der Wühlmausfreunde in meinem
übrigens sehr bequemen Sessel sitzen. Aber dazu komme ich ja nicht!
Viel zuviel Arbeit! Und nach Weihnachten wird’s nur noch schlimmer! Weil
sie so viel von diesem zuckerhaltigen Zeugs verteilen! Dieser ganze Süßkram…
ekelhaft!
FLINK
Sehen sie Doktor, da haben
sie's selbst gesagt: Es ist der Weihnachtsmann, der da vor ihnen steht.
SPITZ
Und ich sagte auch, daß
ich nichts mit Weihnachten am Hut habe. Lassen sie mich endlich in Ruhe!
WEIHNACHTSMANN
Aber...
SPITZ
Auf Wiedersehen! - Oder
besser nicht.
Er schmeißt seine
Tür von innen zu, das Duo trottet ratlos zum Schlitten zurück
WEIHNACHTSMANN
So ein gemeiner Mensch!
Und mir ist immer noch nicht geholfen. Die Zeit wird langsam knapp.
FLINK
Na, dann müssen
wir eben auf diese einsame Insel. Dr. Bärig erteilt uns bestimmt
nicht so eine Abfuhr. Ich weiß, wo die ist. Meine Tante Ilse macht
da im Sommer auch immer Urlaub. Donner und Blitz sind doch schnell genug?
WEIHNACHTSMANN
Das schon, aber denken
sie daran, daß die Tiere noch einen weiten Weg
vor sich haben. Wenn wir sie überanstrengen, kann es sein, daß
sie am Ende zu erschöpft sind, die letzten Geschenke auszutragen.
Andererseits… Was sollen wir machen? Schauen sie sich das an: - Geschwollen
wie ein Luftballon! Wenn die Tiere bloß nicht so viel zu schleppen
hätten, uns, den Schlitten, die ganzen Geschenke...
FLINK
Aber das ist doch kein Problem!
Lassen wir doch den Schlitten hier und reiten.
WEIHNACHTSMANN
Aber... das geht doch nicht…
wenn jemand den Schlitten…
FLINK
Keine Sorge, den Schlitten
decken wir mit einer von den Planen da ab. Bestimmt kommt keiner
auf die Idee, den hier zu stehlen. Sehen sie, jetzt ist er ganz unscheinbar,
und ohne die Rentiere kann sowieso niemand allein das schwere Ding fortbewegen.
WEIHNACHTSMANN
Aber wenn...mehrere…Leu…te…
FLINK
Kein aber! Los jetzt!
Sie steigen auf die
Rentiere und reiten weg. Außer Atem kommt Frl. Geier an den Schauplatz,
sieht die anderen noch verschwinden, reibt sich die Augen, schüttelt
den Kopf und fängt dann an den Schlitten näher in Augenschein
zu nehmen. Dr. Spitz kommt aus seiner Tür und begleitet einen Patienten
nach draußen…
SPITZ
Na dann, auf Wiedersehen!
PATIENT
Lieber nicht…
SPITZ
Bitte?!
PATIENT
Tschüss und Frohe Weihnachten!
(er
geht)
SPITZ
Quatsch!
Spitz schaut sich um,
übersieht Frl. Geier, schleicht um den Schlitten herum und beschnüffelt
ihn eingehend, bis er mit Frl. Geier zusammenstößt…
FRL. GEIER
Huch!
SPITZ
Was soll das? Haben sie
mich aber erschreckt! Was wollen sie denn hier?
FRL. GEIER
Ääh… ja … Mein
Name ist Geier. Fräulein Geier von der DESSAUER POST.
SPITZ
Die Zeitung?
FRL. GEIER
Ja. Ist das ihr Schlitten?
SPITZ
Nein, natürlich nicht.
Aber sie werden mir nie glauben, wem der gehört… (unüberhörbar
ironisch) …dem Weihnachtsmann!
FRL. GEIER
Wie Bitte?! … Wem?
SPITZ
Ja richtig, dem Weihnachtsmann!
Naja, ich glaube nicht richtig. Da waren eben zwei Leute bei mir - verrückt,
glaube ich. Der eine war als Weihnachtsmann verkleidet, hatte wohl ziemliche
Zahnschmerzen. Der Zweite sah irgendwie aus, als wäre er auch von
der Zeitung, hatte so einen komischen Notizblock in der Tasche und dann
noch eine Kamera um den Hals - so wie sie!
FRL. GEIER
Das muß Flink gewesen
sein! - Das ist ein Kollege von mir. - Wie ich den kenne, hat
der ja dann wohl tatsächlich den Weihnachtsmann gefunden. Dann müssen
sie Dr. Spitz sein!
SPITZ
Ja richtig! Sie meinen…
Das war wirklich der Weihnachtsmann vorhin?
FRL. GEIER
Ich glaube schon…
SPITZ
Und das ist sein Schlitten?
FRL. GEIER
Wird wohl so sein. Mit den
ganzen Geschenken…
SPITZ
… und den ganzen Süßigkeiten
- sie wissen gar nicht, wie das den Zähnen schadet. Eigentlich sollte
man das verbieten!
FRL. GEIER
Überhaupt… Weihnachten
ist sowieso blöd. Ich meine, keiner arbeitet, alle sitzen um
einen Baum, singen schreckliche Lieder, und alle bekommen Geschenke, die
sie sowieso nicht wollen. Jedes Jahr das gleiche - Krawatten, Puppen, Teddys,
Pralinen…
SPITZ
Iigitt!
FRL. GEIER
Eben! Aber was wäre
eigentlich, wenn…
SPITZ
Wenn was?
FRL. GEIER
Na wenn das alles hier nicht
da wäre - den Schlitten meine ich.
SPITZ
Sie meinen…ääh…gestohlen.
FRL. GEIER
Nicht gestohlen…verschwunden.
Einfach weg!
SPITZ
Einfach weg. Das wäre
ja, wäre ja,…Großartig! Keine Süßigkeiten mehr, keine
Löcher mehr…
FRL. GEIER
…keine langweiligen Familienfeiern
und teuren Geschenke mehr!
SPITZ
Wäre das nicht toll?
FRL. GEIER
Und das ist alles auf dem
Schlitten da!
SPITZ
Na dann…wo verstecken wir
ihn?
FRL. GEIER
Ich habe da so eine Idee…
sie flüstert Spitz
etwas ins Ohr, er ist begeistert
SPITZ
So machen wir’s. Los, helfen
sie mir mal schieben!
FRL. GEIER
Hoffentlich sieht uns keiner…
SPITZ
Also ich sehe hier niemanden…
sie schieben den Schlitten
weg (hier währe übrigens ein guter Zeitpunkt für eine Pause)
4. Bild
eine tropische Insel,
Palmen, Strand etc.; Dr. Bärig kämpft verzweifelt mit einem Liegestuhl
(wie witzig!), während seine Frau schon gemütlich in der Sonne
liegt
DR. BÄRIG
Ach, ist das wunderbar.
Strand, blauer Himmel, Sonne, Urlaub!
FRAU BÄRIG
Deine Patienten werden dich
vermissen.
DR. BÄRIG
Nicht doch! Die wollen doch
auch nicht zu Weihnachten zum Zahnarzt! Oder glaubst du etwa, daß
es solche Spinner gibt? Wohl kaum. Und bei Notfällen muß dann
eben Dr. Spitz ran.
FRAU BÄRIG
Das Ekel!
DR. BÄRIG
Sag nicht sowas! Von seiner
Arbeit hat der schon Ahnung. O.k., er ist ziemlich eigenartig, manchmal
sogar richtig, naja, eben fies. Der hat sowas Aalglattes. Aber für
die paar Wochen… Ich muß mich schließlich auch mal erholen.
FRAU BÄRIG
Faulpelz! Aber es ist doch
schade, daß wir Weihnachten nicht zu Hause sind.
DR. BÄRIG
Ach was, wir sind
doch sowieso schon zu alt für den Weihnachtsmann! Guck mal,
mein Bart ist doch schon genauso weiß wie seiner!
FRAU BÄRIG (lachend)
Hihi! Da könntest du
ja glatt als Doppelgänger auftreten! Da fehlt… ja bloß…noch…
die … rote… Mütze! - Guck mal, da hinter dir!
Sie hat die Rentiere
und ihre Reiter entdeckt und ist zunächst etwas sprachlos, Dr. Bärig
ist viel zu sehr mit seinem Liegestuhl beschäftigt um sich auch
nur einmal umzuschauen…
DR. BÄRIG
Ja? Was ist da?
FRAU BÄRIG
Der… der… du glaubst mir
ja sowieso nicht! Schau dich doch mal um!
DR. BÄRIG
Also, wenn’s unbedingt sein
muß! - Das kann doch nicht… oder doch?!
FLINK
Hallo Doc!
DR. BÄRIG
Guten Tag! Sind sie es,
Flink? Was machen sie denn hier? Und wer…?
FLINK
Ja, ich bin es. Und das
- wie sie eigentlich unschwer erkennen dürften - ist…
FRAU BÄRIG
… der Weihnachtsmann!
FLINK
Richtig!
FRAU BÄRIG
Na, das ist ja ein Zufall!
Wir haben gerade von dir gesprochen. Was machst du denn hier?
WEIHNACHTSMANN
Ich… Mmmh…
FRAU BÄRIG
Was ist denn los, Weihnachtsmann?
FLINK
Er hat Zahnschmerzen! Deshalb
sind wir hier! Helfen sie uns Doc! Aber schnell, wenn es geht! Sonst…oh
nein!
DR. BÄRIG
Ach herjee! Und deshalb
kommen sie hierher?! Ich hab’ doch ein Schild an der Praxis… Dr. Spitz?!
FLINK
Ach der! Der hat uns vor
die Tür gesetzt!
FRAU BÄRIG
Unverschämtheit! Ich
habe dir doch gesagt…
DR. BÄRIG
Ja, ja, du hast wie immer
recht. Natürlich. Was hat der sich bloß dabei gedacht?
FLINK
Er will, daß Weihnachten
ausfällt - wegen der Süßigkeiten und so…
DR. BÄRIG
Meine Güte, jetzt übertreibt
der aber!
FRAU BÄRIG
Ich sagte doch… Fiesling!
der Weihnachtsmann
meldet sich mit einigen unmißverständlichen Gesten und undeutlichem
Murmeln zu Wort, was etwa Folgendes aussagt: „Hey! Quatscht nicht so viel!
Helft mir endlich!“
DR. BÄRIG
Ach herjee! Weihnachtsmann!
Kommen sie mal rüber! Ja so ist’s gut. Dann wollen wir doch mal sehen…
Mund auf! Aha… tja… mmh. Also, ich muß sagen: Gut sieht das nicht
aus. Sie haben da ein wirklich hübsches Loch in ihrem Backenzahn -
daß das weh tut, kann ich mir vorstellen.
FLINK
Können Sie uns denn
helfen?
DR. BÄRIG
Eigentlich schon. Aber hier??
Womit denn? Vielleicht mit einer Kokosnuß? Wir befinden uns schließlich
auf einer einsamen Insel! - Warum sind sie denn nicht früher gekommen?
Immer kommen alle im letzten Moment!
FRAU BÄRIG
Solche Unvernunft aber auch!
FLINK
Naja, mmh…Was brauchen sie
denn so?
DR. BÄRIG
Na eben was ich in meiner
Praxis habe.
FLINK
Soso. Schön,
schön - nein, eigentlich gar nicht schön. - Weihnachtsmann,
fangen sie doch mal Donner und Blitz wieder ein!
DR. BÄRIG
Wen?
FLINK
Donner und Blitz.
FRAU BÄRIG
Die Rentiere, stimmt’s?
WEIHNACHTSMANN
Stimmt.
DR. BÄRIG
Waaas? - Nein!
FLINK
Aber, aber, sie werden doch
keine Angst vor diesen lieben Tierchen haben?
DR. BÄRIG
Jeder fürchtet sich
vor irgend etwas. Manche Leute sogar vor Zahnärzten wie mir, und dafür
gibt’s ja nun wirklich keinen Grund…
WEIHNACHTSMANN
…also, ich weiß ja
nicht…
DR. BÄRIG
…aber das da? Das sind doch
nur zwei und wir drei…
FRAU BÄRIG
Vier!
DR. BÄRIG
Du willst auch mit? Ach
herjee, wie soll denn das funktionieren?
WEIHNACHTSMANN
Die schaffen auch zwei Leute
- das ist aber nur eine Ausnahme.
DR. BÄRIG
Zu zweit auf einem Rentier?
Ich steige ja nicht einmal auf ein Schaukelpferd!
FRAU BÄRIG
Nun komm schon, Schatz.
Der Flug wird bestimmt lustig. Sowas erlebt man nicht alle Tage.
DR. BÄRIG
Flug?!
FRAU BÄRIG
Aber die Rentiere des Weihnachtsmann
fliegen immer. Das weiß doch jeder!
DR. BÄRIG
Oh nein!
Er wird ohnmächtig,
was die ganze Sache unheimlich erleichtert
FRAU BÄRIG
Schatz! Was ist? Alles in
Ordnung? Hallo?!
FLINK
Ohnmächtig geworden
- der Schock! Auch das noch! Uns bleibt ja wohl heute nichts erspart!
WEIHNACHTSMANN
Und was wird nun aus mir?
FRAU BÄRIG
Keine Sorge. Wo sind die
Rentiere? Da! Also - nun packt mal mit an! Hau Ruck!
Sie schleifen den Doktor
zu Blitz, schieben ihn drüber, Frau Bärig schwingt sich todesmutig
mit lautstarken „Jipeyjee“-Rufen dahinter; Flink und Weihnachtsmann nehmen
Donner, und die Karawane setzt sich in Bewegung
5. Bild
Stadt, genau wie vorher,
der Schlitten ist noch immer verschwunden und auch sonst ist niemand zu
sehen; endlich kommen die beiden Rentiere und die vier „Passagiere“ an,
der Doktor ist noch nicht wieder aufgewacht und Frau Bärig hat einige
Mühe ihn (und sich) auf dem Reittier zu halten
FLINK
Brrr! Stehen bleiben! So
ist’s gut.
FRAU BÄRIG
Anhalten! Halt! Stop!
FLINK
Sie müssen BRRR sagen
- wie bei einem Pferd!
FRAU BÄRIG
Brrr! - Na also, geht doch!
- Wow! So was hab ich ja noch nie erlebt. Irre!
Frau Bärig, Flink
& Weihnachtsmann steigen ab; Doktor hängt weiterhin quer über
dem Rentierrücken
WEIHNACHTSMANN
So, jetzt sind wir wieder
da. Und nun? Wer weckt den Doktor auf?
FRAU BÄRIG
Hallo? Schatz? Aufwachen!
Alles vorbei!
WEIHNACHTSMANN
Schön wär’s…
FLINK
Doc! Huhu?!
Frau Bärig und
Flink ziehen den Doktor umständlich vom Rentier und es sieht ziemlich
witzig aus, wie er relativ regungslos zwischen beiden hängt und nur
ab und zu ein Schnarchen hören läßt
FLINK
Was jetzt? (er brüllt
dem Doktor ins Ohr) Aufwachen!
FRAU BÄRIG (brüllt
ebenfalls)
Aufwachen, Schatz!
FLINK
Keine Reaktion.
WEIHNACHTSMANN
Probieren wir’s mal gemeinsam.
FRAU BÄRIG
In Ordnung. Eins -
Zwei - Drei …
ALLE DREI
Aufwachen!
…und tatsächlich:
Doktor Bärig schreckt aus seinem Tiefschlaf auf…
DR. BÄRIG
Wie? Was ? Wo bin ich?
FRAU BÄRIG
Zu Hause, Schatz.
DR. BÄRIG
Aber wie… (sein Blick
fällt auf die Rentiere und deren Besitzer) Ach du meine Güte!
Träume ich etwa noch immer ?
FRAU BÄRIG
Ganz und gar nicht!
DR. BÄRIG
Aber die Rentiere, der Weihnachtsmann...
das kann doch nicht wahr sein.
FRAU BÄRIG
Natürlich ist das war!
Jetzt werde erstmal wieder richtig wach.
FLINK
Es wäre aber gut, wenn
er sich dabei ein wenig beeilen würde.
WEIHNACHTSMANN
Allerdings.
FRAU BÄRIG
Ich glaube, da kann ich
ein wenig nachhelfen...
sie grinst, greift
in den nächsten Schneehaufen - und seift den Doktor, der erfolglos
zu fliehen versucht, gründlich ein
DR. BÄRIG
Das war ja nun wirklich
unnötig! Aber wenigstens bin ich jetzt wach. Naja, dann kann’s ja
losgehen.
WEIHNACHTSMANN
Was?
DR. BÄRIG
Sie wollen doch ihre Zahnschmerzen
loswerden, oder etwa nicht?
WEIHNACHTSMANN
Klar.
FLINK
Und zwar schnellstens!
DR. BÄRIG
Na dann kommen sie mal mit...
WEIHNACHTSMANN
Wenn ich’s mir so recht
überlege: Eigentlich tut’s gar nicht mehr weh...
FLINK
Wird’s aber wieder.
WEIHNACHTSMANN
Ach was! Alles in Ordnung.
- Aua!
DR. BÄRIG
Sehen sie. Das wird nur
schlimmer.
FRAU BÄRIG
Nun los! Geht schon!
WEIHNACHTSMANN
Warten sie hier auf mich,
Ferdinand?
FLINK
Aber ja doch.
DR. BÄRIG
Wo hab’ ich doch gleich
die Schlüssel?
FRAU BÄRIG
Hier Schatz. - So. Brauchst
du mich da drinnen?
DR. BÄRIG
Ach was. Das schaffe ich
schon alleine. Leiste du lieber Herrn Flink etwas Gesellschaft.
FRAU BÄRIG
In Ordnung. Das werde ich
tun.
DR. BÄRIG
Na dann kommen sie mal,
Weihnachtsmann.
WEIHNACHTSMANN
Na gut. Bis gleich...
Während der Doktor
und der Weihnachtsmann in der Praxis verschwinden, atmet Flink erstmal
erleichtert auf, geht ein bißchen umher, streichelt die Rentiere
und unterhält sich mit Frau Bärig...
FLINK
Na Gott sei Dank! Meine
Güte, ich dachte schon, wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig. (zu
den Rentieren) Das habt ihr richtig toll gemacht.
FRAU BÄRIG
Was machen sie eigentlich
beim Weihnachtsmann, Ferdinand?
FLINK
Eigentlich sollte ich den
interviewen, aber dann war erst nur Bernhard da...
FRAU BÄRIG
Bernhard? Wer ist das denn
nun schon wieder?
FLINK
Der Sekretär vom Weihnachtsmann.
FRAU BÄRIG
Achso.
FLINK
...ja und dann, dann haben
wir den Weihnachtsmann so entdeckt. Bernhard hat mich dann auch gleich
hierher zu ihnen geschickt. Aber sie waren ja nicht da. Anschließend
hat uns auch noch Herr Spitz rausgeschmissen! Die Rentiere waren schon
völlig am Ende, darum haben wir den Schlitten hier abgestellt…Der
Schlitten. Der Schlitten!
FRAU BÄRIG
Was ist denn los?
FLINK
Der Schlitten ist weg.
FRAU BÄRIG
Welcher Schlitten?
FLINK
Na der, mit dem wir hergekommen
sind. Der Schlitten des Weihnachtsmanns! Mit den ganzen Geschenken! Da,
da hat er gestanden! Sehen sie, da sind noch Spuren von den Kufen! Oh,
nein, jemand hat den Schlitten gestohlen!
FRAU BÄRIG
Wir müssen die Polizei
rufen!
FLINK
Zu Weihnachten. Klar. Die
sitzen doch alle bei ihren Familien und warten auf den Weihnachtsmann -
und wie es aussieht, können sie diesmal lange warten...
auf einem dritten Rentier
(dem berühmten Rudolf) reitend, sehen wir Bernhard Bienchen den Ort
des Geschehens erreichen...
BERNHARD
Ferdinand, Ferdinand! Wo
bleiben sie denn so lange?
FLINK
Der Weihnachtsmann ist noch
da drin.
BERNHARD
Wie geht’s denn meinem Chef?
FRAU BÄRIG
Der kommt schon wieder in
Ordnung, keine Sorge. Mein Mann macht das schon.
FLINK
Das ist Frau Bärig,
die Frau vom Doktor.
BERNHARD
Na Gott sei Dank! Eigentlich
müßte er nämlich schon in Australien sein. Die warten dort
bestimmt schon alle. Naja, so eine kleine Verspätung holen wir leicht
wieder auf. Was hatten sie eigentlich auf dieser Insel zu suchen?
FLINK
Da haben wir den Doktor
abgeholt. Der war noch im Urlaub. Da haben wir viel Zeit verloren.
BERNHARD
Ich dachte schon, mein Rentierradar
spinnt.
FLINK
Aber wir haben da noch ein
ganz anderes Problem: der Schlitten ist weg.
BERNHARD
Wie? Was? Weg?
FLINK
Weg! Gestohlen!
BERNHARD
Wieso gestohlen?
FLINK
Naja, wir mußten ihn
hier abstellen, als wir den Doktor holen wollten. Und jetzt steht er eben
nicht mehr da.
BERNHARD
Ach was! Wer sollte das
denn getan haben? Alle lieben Weihnachten! Alle brauchen Weihnachten! Zur
Erholung. Zum Feiern! Weihnachten ist doch das Familienfest des Jahres.
Das will doch keiner abschaffen.
FLINK
Also ich kenne da schon
ein oder zwei Personen, denen es nichts ausmachen würde dieses Jahr
kein Weihnachten zu feiern - beispielsweise Dr. Spitz da drüben.
BERNHARD
Ich kann mir gar nicht vorstellen,
daß es solche Leute gibt.
FRAU BÄRIG
Das kann ich mir allerdings
gut vorstellen. Sie kennen eben Dr. Spitz nicht.
BERNHARD
Von wem reden sie da eigentlich?
Wer ist dieser Dr. Spitz?
FLINK
Das würde jetzt zu
lange dauern das zu erklären. Viel wichtiger ist: Wir müssen
den Schlitten finden!
FRAU BÄRIG
Wo kann der nur sein?
FLINK
Moment mal. Moment mal.
Immer schön ruhig bleiben.
BERNHARD (gerät
in Panik)
Wieso denn ruhig? Ich denke,
Australien wartet schon? Da ist doch nun wirklich kein winziges Land! Als
nächstes kommt dann Neuseeland auf die Warteliste und dann Japan und
dann… . Weihnachten fällt aus ohne Geschenke! Und selbst wenn wir
den Schlitten finden - durch irgendein unvorhersehbares Wunder - diese
Verspätung können wir dann garantiert nicht mehr aufholen!
FRAU BÄRIG
Jetzt überlegen sie
doch mal ganz genau, Ferdinand. Wer wußte, daß der Schlitten
hier stand oder daß der Weihnachtsmann hier war?
FLINK
Ja also eigentlich nur ich
und der Weihnachtsmann...
FRAU BÄRIG
...und Dr. Spitz - der hat
sie doch rausgeschmissen.
FLINK
Stimmt. Obwohl der uns ja
nicht so richtig geglaubt hat....
FRAU BÄRIG
Na und?
FLINK
Da fällt mir noch ein:
Ich habe ja Fräulein Geier angerufen und ihr erzählt, wir wollten
zu Dr. Spitz. Vielleicht war sie ja auch hier.
BERNHARD
Na Bitte. Da haben wir ja
schon zwei. Wer weiß, ob die nicht etwas mit dem Verschwinden zu
tun haben.
FLINK
Vorstellen könnte ich
mir das schon. Die waren ja beide nicht unbedingt begeistert von Weihnachten.
FRAU BÄRIG
Ganz bestimmt sogar! Der
Spitz ist zweifellos in der Lage zu so einer Scheußlichkeit.
FLINK
Und was meine "ehrenwerte"
Kollegin Fräulein Geier angeht, bin ich auch nicht unbedingt von ihrer
Unschuld überzeugt. Die hätte bestimmt viel Spaß daran,
allen Leuten Weihnachten zu verderben. Die war schon immer so gemein.
BERNHARD
Ist ja gut. Aber was helfen
uns die tollsten Verdächtigungen, wenn wir keine Ahnung haben, wo
die beiden sich aufhalten - und ob der Schlitten auch wirklich bei ihnen
ist.
FRAU BÄRIG
Also der Spitz wohnt da
drüben. Ich kann ja mal klopfen.
Sie geht hinüber,
klopft- natürlich öffnet niemand (immerhin hängt ein großes
"GESCHLOSSEN" - Schild an der Tür) - dann geht sie wieder zurück
FRAU BÄRIG
Niemand da. Und jetzt? (einige
Sekunden ratlose Stille) Was macht denn ihr Rentier da, Bernhard?
BERNHARD
Rudolf? Rudolf! Was machst
du da?
FLINK
Da hat der Schlitten gestanden.
Er scheint...ääh...Witterung aufzunehmen.
FRAU BÄRIG
Ich dachte, nur Hunde haben
so eine gute Nase.
BERNHARD
Rudolf aber auch! Kennen
sie das Lied nicht, in dem Rudolf den Weihnachtsmann durch den Schneesturm
führt? (Wer eine deutsche Version von "Rudolf, the red-nosed
reindeer" findet, sollte sie hier (an-) singen) Das ist wirklich
passiert - damals in Kanada. Das war auch ganz schön knapp.
FRAU BÄRIG
Das ist ja toll! Darum hat
er so eine große rote Nase.
FLINK
Vielleicht findet er ja
unseren Schlitten.
BERNHARD (zu Rudolf)
Tust du das Rudolf? (Das
Rentier nickt und schnaubt) Na dann los.
FRAU BÄRIG
Wir kommen mit. Los Ferdinand!
FLINK
Aber die Rentiere nehmen
wir mit. Sonst sind die nachher auch noch weg. Komm Blitz. Komm Donner.
Flink nimmt Donner
und Blitz an die Leine und gemeinsam folgen sie gespannt Rudolf und verschwinden
in der Richtung, in die auch vorhin der Schlitten geschoben wurde. Als
sie verschwunden sind betreten noch einmal Dr. Spitz und Frl. Geier die
Szene...
SPITZ
Das war wirklich eine gute
Idee von ihnen, das mit dem Schlitten.
FRL. GEIER
Danke für die Blumen.
SPITZ
Also ich wäre niemals
auf die Idee gekommen, den Schlitten einfach unter dem großen Schneehaufen
im Park zu verstecken. Da findet niemand das Ding. Zumindest nicht so schnell.
FRL. GEIER
Erst wenn's taut.
Sie werden beide zunehmend
alberner und setzen sich (z. B. auf eine Bank oder den Rand eines Brunnens)
SPITZ
Haha! Richtig. Stellen sie
sich doch mal vor - hihi - wie die jetzt alle herumsitzen und warten...
FRL. GEIER
Dann sitzen die ja noch
bis Ostern. - Das ist übrigens auch so ein blöder Feiertag.
SPITZ
Wir sind doch ein gutes
Team. Ich meine, naja, der Osterhase läßt sich doch bestimmt
auch übers - haha - Ohr hauen.
FRL. GEIER
Stimmt. Hasen sind doof.
Ich hatte als Kind mal einen. Mann, war der dämlich! Der konnte nicht
'mal richtig hoppeln. Saß immer nur so blöd herum und fraß
Gras und Heu - und Möhren!
SPITZ
Das ist es doch! Möhren!
Mensch! Da könnten wir ja ... eine Falle ...
Er schildert seinen
Plan hinter vorgehaltener Hand, wir verstehen nur einzelne Worte (z. B.:
"Karotte, Fallgrube, fesseln, einsperren" etc.); währenddessen verlassen
der Weihnachtsmann und Dr. Bärig gemeinsam die Praxis
DR. BÄRIG
Und? War's schlimm?
WEIHNACHTSMANN
Nö. Überhaupt
nicht. - Jetzt muß ich mich aber wirklich beeilen.
DR. BÄRIG
Nanu, wo sind die denn alle
hin?
WEIHNACHTSMANN
Keiner mehr da - bis auf
die beiden dort drüben. Der eine ist Doktor Spitz.
Spitz und Frl. Geier
haben die anderen noch nicht bemerkt und kichern weiter schadenfroh vor
sich hin
DR. BÄRIG
Stimmt. Jetzt erkenne ich
ihn auch. Ich wüßte schon gern, was der hier draußen macht.
Immerhin sollte er mich doch vertreten.
WEIHNACHTSMANN
Das ist doch jetzt nicht
so wichtig. Wo sind Flink und Donner und Blitz - und der Schlitten?
DR. BÄRIG
Und wo ist meine Frau? (er
ruft, womit er endlich auch Spitz und Frl. Geier auf sich und den Weihnachtsmann
aufmerksam macht) Marianne!
SPITZ
Ach, Herr Kollege. Schon
wieder aus dem Urlaub zurück? (spöttisch) Ach,
und da ist ja auch der falsche Weihnachtsmann. Geht's ihnen denn besser?
WEIHNACHTSMANN
Allerdings. Das ist aber
nicht ihr Verdienst. Warten sie's ab. Keine Weihnachtsgeschenke für
sie in diesem Jahr!
SPITZ
Ich hab' doch sowieso nie
welche bekommen.
WEIHNACHTSMANN
Kein Wunder. Wer nicht an
mich glaubt, bekommt auch nichts! So ist die Regel.
SPITZ
Und wie kriegen sie 'raus,
wer an sie glaubt - und wer nicht?
WEIHNACHTSMANN
Ich spüre das. Übrigens
glauben sie im Moment wesentlich mehr an mich als vorhin bei unserem ersten
Treffen. Na, Doktor Spitz, was meinen sie? Vielleicht bin ich ja doch "echt"?
SPITZ
Das weiß ich doch
nicht! 'Ist mir auch egal!
DR. BÄRIG
Sagen sie, haben sie irgendwo
meine Frau gesehen? Die hat hier auf uns gewartet.
SPITZ
Nö. Hier war keiner.
Nicht war, Fräulein Geier?
WEIHNACHTSMANN
Ach sie sind das.
FRL. GEIER
Stimmt. Und wenn sie wirklich
der Weihnachtsmann sind, können sie mir vielleicht sagen, wo sich
mein verehrter Kollege Ferdinand Flink gerade aufhält. Soviel ich
weiß, sollte der jetzt gerade bei ihnen sein.
WEIHNACHTSMANN
Das war er ja auch bis eben.
Aber jetzt ist er weg. Zusammen mit meinen Rentieren und dem Geschenke-Schlitten...
Spitz und Frl. Geier
wechseln unmißverständliche Blicke
DR. BÄRIG
…und meiner Frau!
In diesem Moment tauchen
die Verschollenen mit Bernhard, den drei Rentieren und auch dem Schlitten
auf; Spitz und Frl. Geier staunen nicht schlecht; Weihnachtsmann und Dr.
Bärig sind sehr erfreut
BERNHARD
Chef! Chef! Da sind sie
ja! Alles in Ordnung?
WEIHNACHTSMANN
Mir geht's gut. Wo habt
ihr denn gesteckt?
FLINK
Der Schlitten war weg. Aber
Rudolf hat ihn gefunden.
WEIHNACHTSMANN
Was heißt weg?
FLINK
Irgendwer hat ihn unter
einem riesigen Haufen Schnee im Stadtpark versteckt.
DR. BÄRIG
Aber wer sollte denn so
etwas tun? (Bärigs Blich fällt auf Spitz, der zusammen
mit Frl. Geier versucht wegzuschleichen, ihm geht ein Licht auf) Kollege?
SPITZ
Äh… Ja?
DR. BÄRIG
Sie haben diesen Schlitten
nicht zufällig schon einmal gesehen?
SPITZ (unschuldig)
Ja. Doch. Vorhin. Als die
beiden da vor meiner Tür standen. - Warum?
FLINK
Und sie Frl. Geier? Was
machen sie eigentlich hier?
FRL. GEIER (schwache
Ausrede)
Ich bin nur ganz zufällig
hier. Alles nur Zufall. Wirklich!
FLINK
Wirklich?
BERNHARD, DR. BÄRIG,
FRAU BÄRIG und WEIHNACHTSMANN
Wirklich?
Wir merken, daß
Frl. Geier keine besonders gute Lügnerin ist; sie stottert ein wenig
herum, dann…
FRL. GEIER
Ja doch. Ja. Ich geb's ja
zu! Wir waren das mit dem Schlitten. Doktor Spitz und ich.
SPITZ
Meine Güte, jetzt haben
sie uns auch noch verraten. Naja, was soll's. Unsere Idee hat ja ohnehin
nicht funktioniert. Der Schlitten ist ja wieder da.
BERNHARD
Aber warum haben sie das
getan? Was sollte das Ganze?
SPITZ
Naja, wir wollten eben,
daß es dieses Jahr kein Weihnachten gibt…
FRL. GEIER
...Wegen der ganzen unsinnigen
Geschenke...
SPITZ
... und den ganzen Süßigkeiten!
Ich hab ihnen ja vorhin schon erklärt weshalb...
WEIHNACHTSMANN
...Ist ja gut! Ruhe jetzt!
- Sie haben ja recht. So ein wenig zumindest. Ich finde es ja auch nicht
schön, daß alle bloß noch wegen der Geschenke Weihnachten
feiern! Das war früher auch mal anders. Ich meine, da hat die ganze
Familie zusammengesessen, nicht vor dem Fernseher so wie heute, sondern
einfach so. Solange sie auf mich gewartet haben, da wurden eben Märchen
erzählt oder Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt oder Weihnachtslieder
gesungen. Da waren die Geschenke letztendlich gar nicht so wichtig. Heutzutage
bekomme ich die ersten Wunschzettel schon im Juni.
BERNHARD
Stimmt. Ich muß sie
dann lesen. Da gibt es sogar welche, die sind vier Seiten lang! Stellen
sie sich das mal vor!
WEIHNACHTSMANN
Genau so ist es. Die Erwachsenen
sind ja noch schlimmer. Die glauben zwar nicht mehr an mich, meinen aber,
sich gegenseitig immer noch etwas schenken zu müssen - weil ich ja
dann nicht mehr zuständig bin. Aber so richtig Freude am Verschenken
haben ja die Wenigsten. Und darum bekommt Onkel Rainer seit acht Jahren
jedes Jahr eine Krawatte und Tante Inge immer nur Pralinen. Logisch, daß
die sich da auch darüber nicht wirklich freuen. - Aber deshalb kann
Weihnachten doch nicht ausfallen! Immerhin ist das mein Job.
SPITZ
Naja, wenn sie meinen… vielleicht
könnten sie ja ein paar Schoko - Weihnachtsmänner weniger verschenken.
Das wäre immerhin ein Anfang.
WEIHNACHTSMANN
Das ist gar keine so schlechte
Idee. Vielleicht mache ich das. Ab nächstem Jahr bestimmt. Versprochen!
SPITZ
Na dann ist ja fast alles
in Ordnung. Das mit dem Schlitten tut mir wirklich leid.
FRL. GEIER
Mir auch. Eigentlich sind
sie ja ganz nett. Aber...
WEIHNACHTSMANN
Es ist ja alles noch einmal
gut gegangen. Was wollten sie noch sagen?
FRL. GEIER
Naja, es ist ja schon ziemlich
spät… Sollten sie nicht eigentlich schon längst unterwegs sein?
BERNHARD
Das stimmt, Chef! Wir haben
viel zuviel Zeit verloren. Ich glaube kaum, daß wir es dieses Jahr
pünktlich schaffen, alle Geschenke abzuliefern.
WEIHNACHTSMANN
Aber wieso denn nicht? Das
ist ja noch nie vorgekommen.
BERNHARD
Ja, haben sie denn überhaupt
keine Ahnung wie spät es ist? Wir sind drei Stunden im Rückstand!
Ich habe nicht die geringste Idee, wie wir das wieder aufholen wollen.
WEIHNACHTSMANN
Ach du meine Güte!
Dann müssen wir sofort los.
BERNHARD
Ich weiß ja gar nicht,
wo wir anfangen sollen.
WEIHNACHTSMANN
Na am Anfang. Wie immer.
Donner, Blitz, Rudolf! Los geht's!
Zwischendurch hat Bienchen
oder der Weihnachtsmann (wer mehr Zeit hat) die Rentiere schon vor den
Schlitten gespannt, so daß alles fahrbereit ist. Sie besteigen den
Schlitten und verabschieden sich
FRAU BÄRIG
Na dann tschüss.
FRL. GEIER
Auf Wiedersehen.
SPITZ
Denken sie an ihr Versprechen!
Viel Glück!
DR. BÄRIG
Ja, und vergessen sie nicht,
bei meinem Neffen Uli vorbeizuschauen. Der wartet nämlich schon seit
3 Wochen! So ungeduldig ist der.
WEIHNACHTSMANN
Das weiß ich doch!
Vergessen sie nicht: der Weihnachtsmann weiß Alles!
FLINK
Da werden sie ja bestimmt
viel Spaß haben, nicht war?
WEIHNACHTSMANN
Aber sicher! Wollen sie
nicht mitkommen, Ferdinand?
FLINK
Darf ich denn?
BERNHARD
Na klar. So wie sie uns
geholfen haben!
WEIHNACHTSMANN
Ohne sie würde ich
ja jetzt gar nicht in der Lage sein die Geschenke abzuliefern.
FLINK
Na, eigentlich hat ja Dr.
Bärig die Sache gerettet. Vielleicht möchte er ja mit?
DR. BÄRIG
Nein danke. Wirklich nicht.
Ein Flugabenteuer am Tag reicht mir völlig aus. Ganz bestimmt kann
Ferdinand einen Artikel darüber schreiben. Den kann dann jeder lesen
- auch ich - und dann wär's ja fast so, als wäre ich selbst dabei
gewesen. Das wäre für mich, glaube ich, nicht ganz so gefährlich.
BERNHARD
Da hören sie's. Na
los, Ferdinand, kommen sie schon.
FLINK
Na gut, wenn sie wollen,
komme ich mit. Sehr gern sogar.
Er steigt auf den Schlitten,
dieser setzt sich in Bewegung, und alle winken noch einmal
WEIHNACHTSMANN
Also, dann tschüss
und - Frohe Weihnachten!
ALLE
Frohe Weihnachten!!
ENDE
|