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Will man den Bauernkrieg als
Gipfel und stärksten Ausdruck der deutschen frühbürgerlichen
Revolution zeigen, muß der Zustand in Sicht kommen, der Bauernerhebungen
hervorrief.
Enorm entwickelte Warenproduktion
mündete in zunehmend frühkapitalistische Verhältnisse, die
zu der fortbestehenden feudalen Regierungsform in Widerspruch gerieten.
Das auf vergangenen Wirtschaftsweisen aufgebaute Heilige Römische
Reich deutscher Nation zerfiel. Große Lehensträger verwandelten
sich in fast unabhängige Fürsten, je Provinz Zentralisation errichtend.
Sie nahmen mietbare Söldnerheere in Dienst und machten so das Rittertum
überflüssig, wodurch dieser niedere Adel verkam, den Fürsten
seine Selbständigkeit verkaufte und dafür seine eigenen Bauern
mit ins Elend riß, indem er sie rigoroser schinden durfte. Der Kaiser,
einst Herr über die universalstaatliche Gesamtlage, war selber nur
noch eine Art Reichsfürst neben anderen. Die Kirche setzte immer vielfältiger
den Finanzhebel an und erwies sich ganz als weltliche Obrigkeit, durchdrang
das ganze öffentliche und private Leben und ihr Reichtum nahm zu.
Wirtschaftliche Blüte
der Städte - doch sonst politische Ohnmacht durch die Vielzahl der
weltlichen und geistlichen Binnenstaaten machte das Reich wie geschaffen
zum Ausbeutungsobjekt für Papst und Kaiser. Es war die schwächste
der führenden Mächte Europas und wurde mühelos ausgeplündert
von der römischen Kurie, die sich seit je auf die ergiebigsten Länder
konzentrierte. Sie wurde der allen wahrnehmbare äußere Hauptfeind.
Die tiefe Krise um 1500 betraf
Herrschende und Beherrschte. Adel raubte Gemeindeland, in den Städten
stritten Zünfte gegeneinander, Patriziate wollten die stadtabhängige
Agrarzone kolonisieren, Opposition des Volks gegen die Pfaffen wuchs. Durch
derlei vielschichtige Veränderung war zunehmend Erregung in den Volksmassen,
wogegen die Landesherren ihre territorialstaatliche Gewalt mehrten. Es
kam zu Spaltung, weltliche Fürsten wollten die Besitzungen
der geistlichen ihrem eigenen
Machtbereich einverleiben und waren auf ein leicht hantierbares einheitliches
Untertanenverhältnis aus. Da der Haß auf das Papsttum fast allen
Ständen gemeinsam war, begann der Kampf gegen die katholische Kirche,
den größten feudalen Grundherrn, als Kirchenreform.
Die Bauern, durch vermehrte
Fronen und Abgaben in Zwangslage, forderten zurück, was sie als Ursassen
innegehabt hatten: Gemeinfreie zu sein und die Allmende, allen zur Verfügung.
Vereinzelte Aufstände blieben ohne Erfolg. Und ihren ersten Erbietungen
zu friedfertigem Vergleich antwortete unbeweglich bleibender Druck, jene
"gedichtete Güte", die Münzer als Schlafgesang an das Volk durchschaute
und deren Friede nichts als die statische Diktatur von Unrecht ist. Im
Brief an den höchsten Beamten zu Allstedt, den Schösser Zeiß,
verwies er darauf, daß die herkömmliche Art der Menschenverwaltung
untragbar geworden war.
Vielerorts gingen Prophezeiungen
um. Offenbarungshafte Einströmungen, mit Sturz der Ungerechten, Aufstieg
der Gerechten, durchdrangen die Massen. Das zuinnerst aufgewühlte
Volk, angewiesen aufs Glauben, erwartete Weltende und den messianischen
Rächer, der Papst und Kaiser stürzen und das Reich Christi errichten
würde, das man sich vage als apostolisch-kommunistisch vorstellte.
Unaufhaltsam war der geduldlose Drang zu Realisation des Paradieses. Jesus
hatte Eigentum verboten; es schien an der Zeit, das hiesige Leben endlich
zu ordnen. Kommunismus, der Anfang, galt auch als Postulat dieser Erwartungszeit:
Eintreffen eines endlich brüderlichen Reichs. Seit langem wanderten
wie Kundschafter Prediger umher, Lehren in abgelegenste Waldtäler
bringend. Prädikanten fanden vorbereitetes Interesse und begierige
Ohren. Wer diese hocherregte, noch an ihre Orte gekettete Menge zu Einheit
brachte, konnte über regionale Wirkung hinaus Umwälzung unternehmen.
Die deutschen Lande um 1500
waren unterteilt in 350 Territorien. Im Ganzen dieses Gebiets lebten damals
etwa 15 Millionen Menschen. 85% davon auf dem Lande. In unsicheren Zeiten
gab der Bauer einem Schutzherrn seinen Boden und erhielt ihn als Lehen
zurück: ab nun der bewirtschaftende Bauer seines ehemaligen Eigentums.
Wer Erbpacht nahm, wurde dem Boden zugehörig. Eine dingliche Abhängigkeit,
lösbar nur durch Aufgeben des Hofs. Dem Hörigen waren Grundzins,
Abgaben, Dienste auferlegt.
Schärferer Grad feudaler
Ausbeutung war die Leibeigenschaft. Sie war bezogen auf die Person. Blieb
bestehen auch bei Wegzug in die Stadt oder in fremdes Gebiet. Selten lösbar
und nur durch hohe Abfindung an den Herrn. Nahm ein Leibeigener einen Hof
in Erbpacht, zahlte er zu den Hörigenabgaben und -dienstleistungen
auch noch den Kopf (Leib-) Zins und bei Todfall das "Besthaupt": Am Beginn
des Feudalismus wurden Naturalabgaben gefordert. Sie gingen nicht über
die Konsumfähigkeit der Herrengeschlechter hinaus. So waren denen
Frondienste einträglicher. Seit aber Geld regierte, war Akkumulation
möglich. Geldrente überbot Produktenrente. Nun wurden ihnen die
Abgaben wichtiger als die Fronen. Die Bauern sollten total ausbeutbar werden.
Deshalb verwandelte man Hörige in Leibeigene.
Eine Liste der Lasten, herzählend
das Maß der Unterdrückung
|
Abgaben: |
Zins |
entrichtbar in Getreide, für
Landnutzung |
Gült |
Gült 40% des Rohertrags,
bei Verzug doppelte Summe |
Küchenzins |
Eier, Hühner, Käse,
Fleisch an Herrenküche, für Nutzung des umzäunten Hofraums;
später in Geld zinsbar |
Wisgeld |
Gebühr, wenn die Wiese
in Acker umgebrochen wurde (für Gültleistende etwas gemildert) |
Besthaupt |
bei Tod des Bauern erbte der
Herr das beste Stück (Vieh, Kleidung etc) |
Kopfzins |
jährlich eine Henne oder
einige Schillinge an den Leibherrn |
An- bzw. Abfahrt |
5%, zog einer zu oder weg |
Vogthafer |
an den Dienstaufseher, später
als Geldsteuer |
den 20sten Pfennig |
5% vom Wert aller mobilia
et immobilia in Krieg- oder Notzeiten |
Besitzänderungsgebühr |
5% vom Wert der Liegenschaften;
neben Getreidegült und Besthaupt die drückendste Feudallast 1/10
des Arbeitsertrages ging an den Klerus |
der große Zehnte |
Getreide |
der kleine |
Hanf, Flachs, Obst, Tiere,
Erbsen, Linsen, Kraut und Rüben |
Heu- und Wiesenzehnter |
meist in Geld zu zahlen |
Neubruchzehnter |
für urbar gemachtes Land |
Ungeld |
Zuschlag auf Wein, Bier, Salz,
Fleisch |
Zapfgeld |
jedes 8. bis 12. Maß
eines Fasses |
Wucherzehnter |
städtische Geldleiher
hatten Erlaubnis, den Zehnten "auf dem Halm" zu fordern |
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|
Dienste: |
gemessene Dienste |
auf Zahl oder Art fixiert,
etwa: zwischen 4 und 72 Tagen im Jahr auf Herrenland arbeiten, östlich
der Elbe an 6 Tagen je Woche |
ungemessene Dienste |
Inanspruchnahme zu jeder Zeit,
somit abhängig von Gnade |
Jagdfronen |
als Fuhrleute, Treiber, Waffenträger |
Spanndienste |
große Bauer stellten
einen Vierspänner, Kleinbauern zu zweit oder dritt einen Wagen. Die
Armsten leisteten Ablade- und Handdienste |
Scharrwerk |
Befestigungs-, Schlösser-,
Wegebau, Errichten von Dämmen; Fuhrfronen |
weitere Erschwernis |
Gehorsamzwang bis zu Befehlsnotstand,
befohlene Unterwürfigkeit, gnadeabhängig |
Bannrechte |
da durften nur Gastwirtschaften,
Backöfen, Mühlen benutzt werden, die innerhalb der Bannmeile
lagen |
|
|
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praktiziertes Recht: |
Vogt und Amtmann |
meist aus niederem Adel, hatten
Befehlsgewalt, Aufsicht über Dienste und den Vorsitz bei niederen
Gerichtsfällen; kassierten Straf gelder und durften 50% davon behalten.
So waren sie bestrebt, Strafen zu erhöhen, Rechtsfälle zu mehren |
Strafen |
Kirchenbann (auch bei Abgabeverzug),
Kerker, Augenausstechen, Abhacken der Hände, Köpfen, Erhängen |
römisches
Recht |
klarster Ausdruck der Beziehungen
zwischen Privateigentümern. Kannte kein Gemeineigentum, römisch-rechtlich
geschulte Juristen negierten es |
Allmende |
die gemeinsam genutzte Brache,
Weideland und Gehölz. Feudalherren - gestützt auf römisches
Recht, das die Vorwände lieferte - hatten es leicht, die Allmende
den Gemeinden zu entwenden. Auch Wälder und Gewässer brachten
sie so bequemer an sich |
Der ganze Bau der Feudalgesellschaft
lastete auf den Bauern. Diese Unterdrücktesten vor allen hatten Grund,
auf Veränderung aus zu sein. Es waren Not und schärfste Ausbeutung
als erstes abzuwenden, und so interpretierten sie das "göttliche Recht"
sozial. "Zu gemeinem Nutz" - dies Wort durchklingt alle ihre Entwürfe. |