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So oft wir ihr begegnen - immer
wieder berührt uns diese witzig-zarte ldylle aufs neue: ihre Liebenswürdigkeit
und Heiterkeit, die wunderbare Atmosphäre der Harmonie zwischen Mensch
und Natur. Nicht nur der reizvolle Stil, in dem diese Sommergeschichte
geschrieben ist, auch nicht allein die Tatsachle, daß wir in ihr
all die Torheiten und Verzauberungen unserer eigenen Verliebtheit wiedererkennen
- es ist wohl vor allem die Schönheit dieser Liebesbeziehung, von
der Tucholsky erzählt, die uns "SchloB Gripsholm" so anziehend macht:
Diese Liebe, die sich nicht selbst genügt, die sich nicht vor der
Umwelt verschließt, die echter und tiefer wird, als sie sich einem
gequälten Menschenkind - dem kleinen Gegenstand" - zuwendet und dieses
einzubeziehen sucht in die Welt des kurzen Glücks". Daddy und Lydia
wissen
ganz genau, daß sie
vor der Zeit nicht davonlaufen können, "sie kommt nach". Für
fünf Wochen hatten sie ihre "Kümmernisse . . . in der Gepäckaufbewahrungsstelle
abgegeben", das Leben lief "scheinbar unverändert" dahin. Aber: "Das
Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders". Tucholsky liebte es, mit allen
Fasern seines Seins, und diese große Liebe zum Leben spricht auch
aus seiner Sommergeschichte.
"Peter! Wie ist es mit dem
Leben! Erzähl schnell, wie es mit dem Leben ist!" fordert Lydia.
"Erst habe ich gemerkt . .
. wie es ist. Und dann habe ich verstanden, warum es so ist - und dann
habe ich begriffen, warum es nicht anders sein kann. Und doch möchte
ich, daß es anders wird. Es ist eine Frage
der Kraft. Wenn man sich selber
treu bleibt . . ." antwortet Daddy -Tucholsky. Ja, es war eine Frage der
Kraft.
Tucholsky - Tragik des fortschrittlichen
bürgerlichen Intellektuellen, der seinen Kampf als Einsamer führt
- verzweifelte an Deutschland, am deutschen Volke, das nicht vermocht hatte,
dem Faschismus die Herrschaft streitig zu machen, und setzte seinem Leben
ein Ende.
Auf dem Friedhof Mariefred-Gripsholm,
an einem von ihm selbst bestimmten Platz unter einer Eiche, ist Kurt Tucholskys
letze Ruhestätte. In Gripsholm, wo er wenige Jahre zuvor glücklich
war, einen Sommer lang - mit der Prinzessin, die keine war, mit Freund
Karlchen und mit Billie, der "Mädchenfrau", die eigentlich, Sibylle
hieß.
Hannelore Neumann |