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Litera 860 299 Wilhelm Busch
Tobias Knopp
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1. Teil
Abenteuer eines Junggesellen

2. Teil
Herr und Frau Knopp

3. Teil
Julchen

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gelesen von Klaus Piontek
Liedkomposition und Gitarre - Werner Pauli
Regie - Jürgen Schmidt
Tonregie - Karl Hans Rockstedt
(für die Schallplatte gekürzte Fassung)
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COVERTEXT

Die durch "Max und Moritz", "Antonius" und "Helene" gewonnene Popularität hatte Busch 18?4 ermutigt. mit seinem Gedichtband "Kritik des Herzens" einmal aus der Kulisse seines "Papiertheaters" hervorzutreten, und den lieben Mitbürgern ihre moralischen Unzulänglichkeiten unmittelbar und freimütiger als sonst anzukreiden. Das lautstarke Echo spießerhafter Entrüstung auf diese direkte Kritik mag den Künstler tiefer getroffen haben, als er sich anmerken ließ. Hier ist wohl einer der Gründe dafür zu suchen, daß Busch mehr und mehr der "Einsiedler von Wiedensahl" wurde.
Busch trat wieder ganz hinter seine Gestalten zurück. Erst dreißig Jahre später versuchte er mit "Zu guter Letzt" die "Kritik des Herzens" fortzusetzen. Im "Knopp" gab er seinem Leser den Helden, den er haben wollte. Man konnte sich so schön behaglich über ihn erheben! Dieser Held aber ist der Prototyp des saturierten Biedermannes. Ihn, der sozusagen seinen Bauchnabel als Mittelpunkt der Welt ansieht, läßt Busch unbefangen sich selbst schildern. Er nimmt Spießers Weltgefühl und Geltungsstreben scheinbar ganz ernst, widmet beispielsweise einer Spießerträne ein ganzes Bild und verspottet den gutsituierten Bürger - freilich ohne daß er es merkt.
Busch hatte auch hier seinem Publikum wieder zu viel zugemutet. (Oder schrieb er schon über dieses Publikum hinweg?) Man nahm jedenfalls alles, was der beliebte "Spaßmacher" mit Griffel und Stift produzierte, für blanke Heiterkeit und amüsierte sich köstlich auch über das, was im Grunde bittere Ironie war. Busch war "philisterhafte Geselligkeit" und jede sinnlos vertane Stunde ein Greul. Eben dadurch, das er uns den nutzlos verbrachten Tag Tobias Knopps mit minutiöser Genauigkeit vor Augen führt, stellt er die Frage nach der Existenzberechtigung des saturierten Spießers.
Neben dem problematischen Haupthelden steht das ebenso problematische bürgerliche Familienleben im Mittelpunkt der Betrachtung. Im ersten Teil, den "Abenteuern eines Junggesellen", umkreist Busch das Thema der bürgerlichen Ehe sozusagen von weitem. Da Knopp seine Freunde unverhofft besucht, gibt er ihnen keine Möglichkeit, ein nichtvorhandenes Idyll vorzutäuschen. Er überrascht sie beim Alltag. Der Windhund Mücke nutzt den Freundesbesuch als willkommene Gelegenheit, sich im"Blauen Aal" ("Mücke scheint da nicht fremd") auf billige Weise mit der Kellnerin zu vergnügen) Als Pendant zu Mücke mutet der Jugendfreund Babbelmannan, der, einst der Lustigste von allen, zum frommen Pantoffelhelden geworden ist. Knopp selbst scheint ein spätes Glück zu blühen. als ihn Freund Piepo unverzüglich mit seiner langen, schlanken, schon etwas ältlichen Tochter Klotilde allein läßt. Um endlich unter eine gut gefütterte Haube zu kommen, reicht sie ihrem grotesken männlichen Gegenstück prompt eine Rose - das Symbol leidenschaftlicher Liebe, das sich unter
den Aspekten der bürgerlichen Vernunftehe komisch genug ausnimmt und vom Künstler entsprechend strapaziert wird . . . . Knopp entblättert sich wie jene Rose, womit denn die ganze Fragwürdigkeit dieses "Liebesidylls" symbolisiert wird. Den Gipfel der Herzlosigkeit in den menschlichen Beziehungen zeigt die Szene mit dem Gemütsmenschen Sauerbrot, vom Künstler bewußt naiv und harmlos vorgespielt. "Knopp vermeidet diesen Ort" ist die bezeichnende Schlußfolgerung nach jedem Abenteuer. Er begibt sich weiter fort - wohin? In die Einsiedelei? - Am Beispiel des unsauberen Eremiten Krökel wird angedeutet, daß die Schopenhauersche Askeseforderung nicht Ausweg, sondern Utopie ist. Loslösung aus der menschlichen Gesellschaft führt nicht zu innerer Vollkommenheit, sondern höchstens zu äußerer Verkommenheit.
Das Dilemma der Vereinzelung, dem Knopp zu entrinnen sucht. scheint allgemein zu sein. Was soll man machen? Man behilft sich. so gut man kann. Reumütig kehrt der "Welteroberer" in die heimischen vier Wände zurück. Der Anblick seiner guten Dorothee verspricht Hafen und Halt in den Stürmen des Daseins.
Sind die "Abenteuer" sozusagen Momentbilder aus dem bürgerlichen Familienleben, so wird in "Herr und Frau Knopp" die Ehe genauer beleuchtet.
Das Bild, das am Beginn von Knopps Ehefreuden steht, ist ebensowenig glückverheißend wie das, mit dem die Junggesellenzeit eingeleitet wird. Während dort der hilflose Hagestolz hinter dem Wagen Amors einhergeschleift wird, ist hier der Familienvater vor das Joch des Ehekarrens gespannt. Scheuklappenbehafted, die Frackschöße zum Schweif zusammengedreht, schleppt er Frau und Kind mühselig hinter sich her.
Der gehoben-pathetische Tonfall bei der Charakterisierung der bürgerlichen Ehe
"O wie lieblich, o wie schicklich,
sozusagen herzerquicklich.."
kennzeichnet deren Tristheit ebenso wie die später gebrauchte Wendung vom täglichen, stündlichen und minütlichen Beisammensein. Und wieder ist es das gestelzte Versmaß, das die Hohlheit der spießbürgerlichen Ehe glossiert:
"Ein schönes Beispiel, daß obiges wahr 
bieten Herr und Frau Knopp uns dar." 
Wohlgenährte und dressierte Lebewesen werden uns vorgeführt, die sich an den plattesten Alltäglichkeiten zu ergötzen pflegen und nicht die geringsten geistigen Ansprüche stellen. Knopp teilt seinen Tag nach Mahlzeiten ein, wie denn Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung die einzigen Triebkräfte seines Lebens sind.
"Schnell flieht der Morgen" (eines nutzlos verbrachten Spießertages). - "Unterdessen bereitet man das Mittagessen."
Man hört förmlich, wie Knopp sein Pfannekuchen schmeckt. Der Zeichner hat ihm zur besseren Charakterisierung (unter zweckentsprechender Verwendung der Serviettenzipfel) ein Paar Schweineohren "angedichtet". 
Wenn das Essen einmal nicht geraten ist, verliert Knopp sein seelisches Gleichgewicht. Aber auch die "Madam" zeigt sich bei ehelichen Auseinandersetzungen nicht eben von der besten Seite. An den unliebsamen kleinen Erlebnissen des betrunken heimkehrenden Knopp demonstriert der Künstler einmal dessen Hilflosigkeit, zum anderen zeigt er deutlich, daß hinter der "Tücke des Objekts" die Unzulänglichkeiten des Subjekts zu suchen sind.
Im dritten Teil der "Knoppiade" rundet Busch das Bild bürgerlichen Liebeslebens ab. Nach dem emsigen Brautwerber und dem braven Ehemann wird die Frucht der Knoppschen Bemühungen das alsbald umworbene Julchen vorgeführt.
Die einleitende Zeichnung scheint hier zunächst eine freundliche Perspektive zu eröffnen. Buschs Spott richtet sich nie gegen das hilflose. urwecbildete Kind. Indessen kann Julchen als Sproß ihrer Eltem natürlich nur die vorgeschriebene gutbürgediche Entwicklung nehmen. Ihre Streiche geben dem Zeichner Gelegenheit den wohlgeordneten Haushalt zuverwirren. Auf die Kindheit folgt in der Geschichte recht schnell das Stadium der Heiratsfähigkeit, womit die Berufung der halbwegs "höheren Tochter" offenbar wird, eine möglichst gute Parde zu machen.
Die zu Besuch kommende Tante - herzlich geküßt weil sehr vemögend - versinnbildlicht mit der aufdringlichen Symmetrie ihres Porträts altjüngferliche Hyper-Akkura-tesse. Als sich nach manchem Hin und Her die Liebenden endlich kriegen können, wird in gleicher Weise mit Hilfe der Symmetrieachse, die Mond, Tante und Dackel bilden, die albumhaft "rührende Familienszene" vor dem Gartenhaus ins Kitschige verzerrt.
Daß viele Leser dernnoch aus solchen und ähnlichen Bildern ein ldyll zusammenreimten; ist nicht so sehr Buschs Verschulden. Zu seiner Ehrenrettung sei schließlich bemerkt, daß er von Ehe "wenn alles ehrlich zugeht, sehr hoch" dachte. 
Was Knopp betrifft, so hat er mit der Verheiratung Jul-chens seinen "Lebenzweck" erfüllt 
(.: . . . . . und so wuchert die Geschichte sichtbarlich von Ort zu Ort . . . . "). 
Er erleidet - wie zur Strafe für seine lebensfeindliche Untätigkeit - einen ziemlich jähen Tod. Seinen Grabstein könnten die sattsam bekannten Worte zieren: Er ward geboren, nahm ein Weib und starb.
In seiner Würdigung zum 100. Geburtstag Wilhelm Buschs schrieb der "Vorwärts":
" . . Wie ist es nur möglich (fragen wir uns 1932), daß man sich vor 50 Jahren in den Knopp und Mickefett . . . . nicht erkannt hat? Kann es einen blankeren Spiegel geben?"
Man erkannte und erkennt sich nicht, wenngleich die imaginäre Zipfelmütze des deutschen Spießers aus Buschs Geschichten bis in unsere deutsche Gegenwart weist . . . 

Wolfgang Teichmann