Covertext
"Die Bleichgesichter haben
sich zu Herren unseres Landes gemacht, und die Zeit der roten Männer
ist noch nicht wieder gekommen. Ich habe zu lange gelebt, denn bevor die
ewige Nacht hereinbrach, mußte ich erleben, daß der letzte
aus dem edlen und weisen Stamme der Mohikaner vor mir dahingegangen ist."
Tamenund, der weise hundertjährige
Häuptling der Delawaren und Mohikaner, spricht diese Worte am Ende
der Geschichte, die James Fenimore Cooper 1826 schrieb. Worte der Trauer
um Unkas, den letzten Mohikanerhäuptling. Mit diesen Worten artikuliert
der Autor sein von tiefer Sympathie für die amerikanischen Ureinwohner
geprägtes Verhältnis.
"Der letzte Mohikaner" ist
die zweite der fünf Lederstrumpf-Erzählungen, die Cooper von
1823 bis 1841 schrieb.
Am 15. September 1789 in Burlington
(Staat New Jersey) geboren, wurde Cooper ein Jahr später von seinem
Vater in die Pioniersiedlung mitgenommen, die er am Lake Otsego gegründet
hatte und die nach ihm den Namen Coopertown trug. Die Coopers waren 1679
nach Amerika gekommen, um reichen Landbesitz zu nehmen. Bis zu seinem elften
Lebensjahr erlebte Cooper den Alltag der Ansiedler, den rauhen Geist der
Männer und Frauen, die in der Wildnis Fuß faßten. 1800
erhielt er im Hause eines Pfarrers in Albany den ersten Schulunterricht,
Vorbereitung auf die zwei Jahre später beginnende Ausbildung am College
in Yale. Schon nach drei Jahren vertauschte Cooper die Schulbank mit dem
Mannschaftslogis des Segelschiffes "Sterling", lernte Europa kennen, wurde
zum Fähnrich ernannt. Ein Schiffbaukommando am Ontario-See, ein anderes
auf dem Lake Champlain folgten. 1811 heiratete er und nahm seinen Abschied
von der Marine. 12 Jahre lebte Cooper nun hauptsächlich in Coopertown.
Dann siedelte er nach New York über. Erst in seinem 30. Lebensjahr
begann er zu schreiben. Dann folgten bis zu seinem Tode (1851) drei ungemein
produktive Jahrzehnte. Cooper wurde zu einem Mitbegründer der amerikanischen
Literatur.
Er hat im Laufe seines Lebens
eine große Zahl verschiedene Bücher geschrieben: Romane, Erzählungen,
Reisebücher. Aber die Lederstrumpf-Erzählungen sind das Kernstück
seines literarischen Werkes. Cooper war am Ende seines Lebens der Meinung,
daß, "wenn etwas aus der Feder des Autors (Cooper) vor allem anderen
geeignet ist, ihn selbst zu überleben, das fraglos die Serie der ,Lederstrumpf-Erzählungen'
sein würde. Diese Vermutung bewahrheitete sich, da Cooper den Geist
einer für uns Iängst versunkenen Zeit einfing und phantasievoll
und spannend erzählte.
Im Mittelpunkt der Erzählungen
steht der erfahrene Waldläufer Natty Bumppo (Falkenauge). Von seinen
Abenteuern in den Kämpfen jener Zeit erzählt Cooper. Bumppo ist
findig, ausdauernd, unerbittlich gegen seine Feinde, treu und opferbereit
den Freunden gegenüber und durchdrungen von demokratischer Gesinnung,
einer Gesinnung, die die "Lederstrumpf-Erzählungen" überhaupt
auszeichnet.
Die Anregung zu dieser faszinierenden
Gestalt erhielt Cooper vermutlich durch die zum amerikanischen Nationalhelden
erklärte Figur des Daniel Boone, der Anfang der siebziger Jahre des
18. Jahrhunderts das jenseits vom Alleghany-Gebirge liegende Gebiet des
(heutigen) Staates Kentucky auskundschaftete und für die Besiedlung
durch die Einwanderer aus Europa erschloß.
Unkas und Chingachgook, die
indianischen Freunde Falkenauges, sind für die Erzählung erfundene
Figuren.
Zweifellos hat sie die Phantasie
des Autors idealisiert, in ihren Charaktereigenschaften poetisch überhöht,
als Gegenstück zu den weißen Schurken und Eindringlingen, gegen
die sich der Haß Falkenauges, der indianischen Helden und damit auch
der Haß des Autors richtet. Das mag zunächst als Widerspruch
erscheinen, da Coopers Familie selbst zu den frühen Einwanderern gehört.
Aber Cooper sucht die Freundschaft zwischen den Ureinwohnern und den Einwanderern,
sucht Möglichkeiten zu einer toleranten demokratischen Lebensform.
Und er gestaltet sie in der großen Freundschaft zwischen Falkenauge,
Chingachgook und Unkas, die schon zahllose Generationien junger Menschen
um diesem Erdball begeistert hat.
D. S. |