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Über den Autor
Otto Häuser (Pseudonym:
Ottokar Domma) wurde 1924 in Sankov, Kreis Karlovy Vary, als Sohn eines
Bergarbeiters geboren. Wegen Aufsässigkeit gegenüber Nazilehrern
wurde er in der 9. Klasse von der Schule verwiesen. Nach seiner Lehre als
Gebrauchswerber war er Soldat. Aus sowjetischer Gefangenschaft zurückgekehrt,
belegte er 1946 in Stendal einen Schnellkurs für Neulehrer und übernahm
im gleichen Jahr eine einklassige Dorfschule. Später war er Schuldirektor
in Tangerhütte, bis er widerstrebend einem Ruf nach Berlin folgte,
wo er zunächst als Redakteur der "Neuen Schule" und der "Deutschen
Lehrerzeitung" tätig war. Seit 1958 ist er beim "Neuen Deutschland",
jetzt als Abteilungsleiter für Volksbildung.
Otto Häuser ist Diplompädagoge,
Oberstudienrat; er wurde als Verdienter Lehrer des Volkes ausgezeichnet.
Er ist "Eulenpiegel"-Autor,
verfaßt Kabarettexte, vor allem für das Berliner Lehrerkabarett
"Die Lachberater". Bisher erschienen seine Bücher: "Der brave Schüler
Ottokar (1967), "Ottokar, das Früchtchen" (1970), "Ottokar, der Weltverbesserer
(1973, verfilmt 1977) und "Ottokar der Gerechte' (1978).
Gespräch mit Ottokars
Vater
Klaus-Dieter Schönewerk:
Von Ottokar Domma liest man im "Eulenspiegel". Viele seiner Geschichten
sind auch in Büchern gesammelt, deren Titel schon viel von seinen
Eigenschaften und Eigenarten verraten: Ottokar ist ein braver Schüler,
ein Früchtchen, ein Weltverbesserer und seit neuestem sogar ein Gerechter.
Sein geistiger Vater, Otto Häuser, leiht ihm nun für diese Langspielplatte
seine Stimme. Frage: Wie kamen Sie auf die Idee, eine solche Figur zu schaffen?
Otto Häuser: Ja,
wie kommt man dazu. Ideen werden wahrscheinlich in den seltensten Fällen
durch angestrengtes Nachdenken geboren, sie entstehen zumeist aus den Vorgaben
anderer, aus Gedankenverbindungen, Vorstellungsverknüpfungen. Der
entscheidende Gedanke für seine erste Buchdruckpresse kam Gutenberg,
als er einer Frau beim Wäschemangeln zusah. Mit den literarischen
Figuren ist es nicht viel anders. Entweder gab es sie schon und man ließ
sie unter anderem Namen, anderen Umständen und anderen Zielvorstellungen
wiedererstehen oder sie sind das Produkt von Beobachtungen und Erfahrungen.
Schönewerk: Womit
Sie sagen wollen, Ihr Ottokar kam auch nicht von ungefähr. Nicht zufällig
füllt der "Kindermund" die Witzspalten mancher Zeitungen, aber das,
was Ottokar sagt, scheint mir gar nicht so witzig gemeint. Wie er die Welt
betrachtet, vor allem uns Erwachsene mit allen Fehlern und Schwächen,
ist längst nicht so naiv, wie es den Anschein hat. Er ist ein kleiner
Schalk, der Gesagtes wörtlich nimmt. Und da steht er doch wohl in
großen literarischen Traditionen
Häuser: Sie legen
es darauf an, mir ein Geständnis abzuringen. Natürlich hat mein
Ottokar Vorbilder: den Schalk eines gewissen Till Eulenspiegel, die naive
Gerissenheit eines gewissen Joseph Schweyk, den Widerspruchsgeist eines
gewissen Lausbuben namens Ludwig Thoma, die Gefühle und Sehnsüchte
eines gewissen Tinko, den Witz . . . Wozu die Aufzählung. Wer liest,
weiß, daß Ottokar kein reines Geistesprodukt ist, und wer Kinder
hat, weiß es noch besser. Wieviel sozialistische Lausbuben, die Ottokar
heißen könnten, gibt es bei uns!
Schönewerk: Demnach
hat Ottokar nicht nur eine ganze Reihe berühmter Ahnen, sondern auch
lebende Spiel- und Spaßgefährten. Er ist also in unserer Wirklichkeit
zu Hause.
Häuser: Und das
soll er auch bleiben, nur mit dem Unterschied, daß er nicht älter
wird. Die Frage wird mir oft gestellt: Bleibt Ottokar der ewige Schüler,
wird er nicht einmal Lehrling oder Student oder sogar Lehrer? Nein, wenn
er älter wird, ist er nicht mehr der frische, freche und fröhliche
Ottokar. Angenommen er würde Lehrer sein und so bleiben, wie er ist
- nicht vorstellbar, wie dann eine Lehrerkonferenz verläuft. Die Geschichte
"Wenn ich ein Lehrer wäre . . .", hier auf dieser Platte zu hören,
wäre nur ein harmlos-heiteres Vorspiel. Oder: die Zukunft bewahre
uns vor der Idee Ottokars, im Leben der Erwachsenen einen "Tag der Wahrheit"
einzuführen! Oder: angenommen, seine Einfälle als "Poesiealbumsberater"
würden in Brigadetagebücher übernommen werden. Das könnten
Bestseller werden, aber wovon sollten dann unsere seriösen Literaten
leben? Nur von Erinnerungen? Mir schwant Unheilvolles, darum laß
ich Ottokar lieber so wie er ist - als einen etwa l2jährigen Schüler.
Schönewerk: Na
schön. Mir gefällt er als Schüler auch besser. Was er aufgreift,
ist konfliktreicher Alltag. Hat er denn keine Angst, bei Erwachsenen wie
Eltern oder Pädagogen anzuecken?
Häuser: Was heißt
Angst! Wir sind eine kinderfreundliche Gesellschaft. Die Wahrheit hoben
hoffentlich nicht nur sauertöpferische "Alte" gepachtet. Kinder sagen
manche Wahrheiten, auch wenn wir sie nicht immer wahrhaben wollen. Wenn
Ottokar dabei manchmal ins Fettnäpfchen tritt - wer tritt nicht? Nur
Leisetreter, und die wollen wir nicht. Zugegeben: Ottokar spielt in seinen
Aufsätzen da und dort Schüler gegen Erwachsene aus und Erwachsene
gegen Schüler und Schüler gegen Schüler. Doch wer Sinn für
Humor hat, kann aus seinen Geschichten und Meditationen vielleicht sogar
etwas lernen. Humorlose brauchen diese Geschichten gar nicht erst zu lesen
oder zu hören, denen ist ohnedies nicht zu helfen. Ottokar bleibt
das vorläufig, was er sein sollte: eine Zeitfigur. Und wenn sie sich
einmal überlebt hat, hören sich unsere Nachkommen an, wie Ottokars
Enkel über die Erwachsenen denken. Die leben ja dann schon in einer
kommunistischen Welt. (Bemerkung des Abtippers:
War wohl nix! - Aber sonst ist er echt witzig...) Und wenn mich
meine bescheidenen Kenntnisse von der Dialektik der Entwicklung nicht täuschen,
müßte es auch dann noch Widersprüche, Konflikte und Probleme
geben - von höherem Niveau natürlich. |