COVERTEXT 1
Liebe Kinder!
Es ist ein verbreiteter Brauch
- wer soeben eine Schallplatte bespielt hat, erbittet sich von einem möglichst
berühmten Bekannten einen Werbetext für die Plattenhülle.
Nun besitzen wir natürlich einen berühmten Bekannten. Aber als
wir bei ihm klingelten, war er nicht zu Hause. Damit wir nun der Peinlichkeit
entgehen, uns selbst loben zu müssen, folgen wir einem anderen verbreiteten
Brauch und loben uns gegenseitig, ich, der Sachse, den Saalmann, weiter
unten der Saalmann mich, den Sachse. Ein Loblied beginnt mit einer unwesentlichen
Schwäche, die der Leser am Ende hoffentlich vergessen hat. Herrn Saalmanns
Schwäche ist seine Ähnlichkeit mit Don Quichote dem spanischen
Ritter von der Traurigen Gestalt. Womit ich nicht sagen will, daß
ich sein dicker Sancho Pansa bin (siehe Foto). Auch trägt er keine
Lanze, sondern eine Posaune. Mit der macht er viel Wind. Treibt sozusagen
selbst die Windmühlen, um sie dann als drohende Riesen zu berennen
. . . .
Fleischersfrauen und Konditoren
lacht bei seinem Anblick das Herz: Von Günter Saalmann ist bekannt,
daß er ausschließlich von Kuchen lebt, meistens im Cafehaus
sitzt, dort beharrlich Papier vollkritzelt und auf dem Tisch Gebäck-
und Radierkrümel hinterläßt. Sein Papierverbrauch erfüllt
jeden Papiermacher mit Besorgnis. Und sollte die Kinder freuen. Günter
Saalmann ist ein Kinderschriftsteller.
Ein Schriftsteller ist ein
Mensch, der was im Kopf hat. Und damit ihm der Kopf nicht überläuft,
schreibt er's auf. Was er nicht weiß, macht ihn heiß und er
reimt sich's irgendwie zusammen. In dem festen Glauben, daß der Rest
der Menschheit es freiwillig liest und sich schon seinen Vers drauf machen
wird. Nun, der Günter Saalmann weiß tatsächlich eine ganze
Menge. Wenn man ihn reden hört, ist man sicher: Im Kindergarten, in
der Schule, als Pionier und FDJIer war er stets einer der eifrigsten; Russisch
beherrscht er, das Morsealphabet hat er drauf bis zum Buchstaben P! Das
Literaturinstitut (eine Art Hippodrom = Reitschule für angehende Schriftsteller,
wo diese aber nicht die Reiter, sondern die Pferde bzw. Esel darstellen
- so erklärt er es jedenfalls), das Literaturinstitut also schloß
er mit netten Wertungen ab. Überhaupt - wenn ihr wissen wollt, wie
fleißig bescheiden, ordentlich, ehrlich (er hat mich aufgefordert,
hier einzuflechten daß es im Titel "Dichte 7, 87" wissenschaftlich
exakter WICHTE heißen müßte. Sehen wir drüber hinweg:
Ein Gedicht ohne Gewicht mehr oder weniger was soll's . . .) und reinlich
der Herr Saalmann ist, so denkt an eure eigenen Sittennoten auf dem letzten
Zeugnis. Schon habt ihr auch seinen Charakter annähernd erfaßt.
Bereits als jüngerer
Mensch - wenn er zum Beispiel in der Rock- und Pop-Band, in der ich damals
mit ihm musizierte - wenn er da seine goldene Posaune auspackte - offenen
Mundes lauschten wir Kollegen seinen treuherzigen Berichten aus der Geisteswelt!
Ihr seht - ein fabelhafter Kerl.
Wie denn, so werdet ihr fragen
hat dieser Zweihundertsassa nicht den klitzekleinsten Charakterfehler?
Nun ja, nun ja. Seit fünf Jahren zieht er mit besagter Posaune und
einem gitarrespielenden Sachsen durch die Lande, um mittels eines sogenannten
musikalisch-literarischen Kulturprogramms PO(E)SAUNENSTUNDE für seine
Bücher Reklame zu machen. Daß dies ein Fehler ist, davon könnt
ihr euch leicht überzeugen, indem ihr diese Platte zweihundertmal
auflegt. Eure Eltern werden mir Recht geben und rufen: "Hurrikan - Curryhuhn,
was soll denn das! Macht den Mist aus!"
Euer Helmut Joe Sachse |
COVERTEXT 2
Verehrte Kinder!
Dies schreibt jetzt Saalmann
über den Sachse. Der ist von Beruf eigentlich Papiermacher. Mit Abitur.
Aber sagt zu ihm: "Herr Sachse, machen sie mal Papier!" Nichts. Ihr sagt
bitte. Kein Schnipsel. Schon besser, ihr schlagt vor, er möchte euch
auf der Gitarre was vorspielen. Gleich wirtschaftet er los, als gelte es,
das arme Instrument zu Holzschliff zu zerraspeln. (Holzschliff - ein bedeutender
Rohstoff für die Papierproduktion.) Im zweiten Beruf versuchte sich
Herr Sachse als Handelskaufmann. Doch aus dem Umgang mit klingender Münze
wurde schließlich der Umgang mit Klängen. Das nun klappt, und
er verließ die Weimarer Musikhochschule mit hohem Lob und einer gedruckten
Biografie des Komponisten Debussy mit dem Bibliotheksstempel. Seitdem pflegt
er schlechten Schülern zu erzählen, daß auch Debussy und
er einst schlechte Schüler waren. Diese Beichte ist natürlich
als Trost gemeint, aber es gibt Leute, die versuchen sich auf diese Weise
herauszustreichen: Seht, wie wir uns leistungsmäßig doch noch
verbessern konnten . . . .
Vor einem guten Dutzend Jahren
lernten wir uns kennen, der Herr Sachse und ich. Er hat es schon angedeutet:
Wir spielten zusammen in einer Band. Zum Tanz. Die beliebten Live-Diskos
gab es noch nicht. Als die aufkamen, beschlossen wir, dem Fortschritt nicht
lange im Wege herumzustehen. Ich lernte kurzerhand berühmter Schriftsteller,
Helmut Sachse, den die Fans ,Joe' nannten, wurde Jazzer. (Ihr wißt
schorn Chrrr . . . zzz . . . pfff . . .) Mal im Ernst: Jazzer sind Musiker.
die sich die Töne selbst einfallen lassen, die sie Zehntelsekunden
später dem Publikum vorspielen, sie sind also sozusagen Blitzkomponisten,
denen wenig Zeit bleibt, sich weitschweifige Tonlügen auszudenken.
(Höchstens mal eine flüchtige Notlüge.) Sie improvisieren,
wie man sagt. Wenn Helmut 'Joe' Sachse improvisiert, klingt es in glücklichen
Minuten wie direkt aus unserem Leben gegriffen.
Nun spielen wir also noch
einmal miteinander. Weil seine Gitarre mit meiner Posaune zusammenklingen
soll, geht es nicht mit Sekundenkompositionen ab. Hier muß er die
Noten geduldig planen und probieren. Ebenso wie ich die Poesie. Nur so
gelang es uns, gemeinsam die tieferen Zusammenhänge zwischen Hurrikanen
und Curryhühnern aufzudecken. Nur so wurde aus Poesie und Posaune
unsere PO(E)SAUNENSTUNDE.
Dabei ist Helmut Sachses Temperament:
Tempo. Ihr stellt euch bitte ein langgestrecktes Fragezeichen vor, das
sich nun gar zur entschiedenen Haltung eines Ausrufungszeichens emporstrafft.
So sieht Helmut Sachse aus, und so ist sein Charakter. Welche federnde
Energie! Der Mann zögert scheinbar nie, springt als erster durch jede
Tür, einfach, weil die anderen ihm zu langsam sind. Seine Nerven sind
wie die Gitarrensaiten, auf denen er bis tief in die Nacht hinein übt
-- zum Jubel der Nachbarn. Füßestampfend, trommelnd, unter borstigen
Brauen hervor knisternde Akzente blinzelnd . . . Tagsüber schöpft
er dann frische Kraft aus Jazzschallplatten, aus den bissigen Geschichten
des tschechischen Schriftstellers Hasek. Oder er fährt davon zu seinen
Jazzkonzerten, wohin ich ihm manchmal staunend folge.
Und doch, bei allem Respekt
- ich kann hier nicht mit einem Lob schließen. Nennen wir beliebige
Beispiele: Als uns ein (längst fälliger) Autounfall miteinander
in einen verschneiten Straßengraben versetzte, äußerte
er ein recht ordinäres Wort, eins mit zwei Zischlauten. War das nicht
unbeherrscht? 0der: Er nimmt Fußballergebnisse ernst. Ja, tragisch!
Oder: Nichts ist ihm gut genug. Kürbissuppe mit Zuckernudeln, für
andere ein Hochgenuß - er nennt diese Speise Geschlabber. Bei ihm
muß es gesalzene und gepfefferte Schildkrötensuppe sein. Aber
hinterher mitleidige Gedichte von der traurigen Schildkröte Grete
vertonen - das kann er!
Euer Günter Saalmann |