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Ein armes
Schneiderlein, das nicht viel mehr besitzt als Pieps, seinen Kanarienvogel,
einen alten Käse und einen knurrenden Magen stickt eifrig an den letzten
Gürteln für den königlichen Hof. Doch ein Kammerherr nimmt
ihm mit höhnischen Worten die Arbeit weg und betrügt ihn um seinen
sauer verdienten lohn. Ich gehe zum König, beschließt der Schneider,
der wird mir zu meinem Recht verhelfen. Er legt seinen Gürtel um,
auf dem jeder lesen kann, daß er ein Kerl sei, der Sieben auf einen
Streich erschlug. (Daß das Fliegen waren, braucht ja keiner zu wissen.)
Aber der Schneider wird arg enttäuscht, denn er findet einen grausamen,
gefräßigen und verschlafenen König mit einem ebensolchen
Hofstaat; nur die Königstochter hat Mitleid mit ihm. Doch der Schneider
ist wirklich ein ganzer Kerl. Er befolgt des Königs Befehl, verjagt
mit List zwei schreckliche Riesen, setzt das wütende Wildschwein hinter
Schloß und Riegel und befreit dabei den unschuldig vom König
verbannten Küchenjungen. Als Sieger ziehen die beiden ins Königsschloß
ein. Die Königstochter ist hocherfreut und will die Frau des tapferen
Burschen werden. Der König murrt zwar, aber er fürchtet die Überlegenheit
des Schneiders. So muß er, ob er will oder nicht, sein Versprechen
einlösen und dem Schneider das Regieren überlassen. Der Schneider
aber vergaß nie, wie es ihm einst ergangen war und sorgte stets dafür,
daß es allen Küchenjungen und Musfrauen in seinem Lande gut
ging.
Brigitte
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