War das ein Fest! Drei Tage
hat es gedauert, wie es im Märchen üblich ist. Ich wollt, ihr
wäret dabeigewesen und hättet die sprachlosen Gesichter der Gäste
sehen können, als das Tischlein deck dich so mir nichts, dir nichts
- nur auf einen Spruch hin - sich mit den herrlichsten Speisen, auserlesensten
Weinen, feinsten Pralinen und dem köstlichsten Obstsalat bedeckte.
Da ließ sich keiner zweimal auffordern. Alle langten fröhlich
zu und erhoben ihre Gläser auf Hans und seinen Meisterlohn - das Tischlein
deck dich. Hans bekam vor Freude ganz rote Ohren und trank, so oft ein
jeder mit anstieß. Davon wurden seine Ohren noch röter.
Als Klaus aber seinen Esel
Bricklebrit vorführte und ihn bat, für jeden Gast eine Handvoll
blanker Golddukaten zu speien, wollte das Staunen gar kein Ende nehmen.
Manch einen sah ich, der kniff sich in den Arm, weil ihm schien, dies alles
sei ein Traum.
Dann war die Reihe an Peter,
seinen Meisterlohn zu zeigen. Doch so sehr sie ihn auch bedrängten
und baten, Peter winkte nur ab und rief vergnügt: "Mein Knüppelchen
bleibt in dem Sack! Ja, wenn unter euch ein diebischer Wirt oder sonst
ein Taugenichts ist, will ich gern das Knüppelchen auffordern, ihm
das Tanzen beizubringen. Ich bin überzeugt, seine Beine würden
ihn so schnell davontragen, als sei der Leibhaftige selbst hinter ihm her!"
Da fingen alle an zu lachen und lachten solange, bis sie sich vor lauter
Trunkenheit und Freude unter den Tisch gelacht hatten. Dort blieben sie
denn liegen und schliefen ihren Rausch aus.
Nun glaubt ihr vielleicht,
Peter, Hans und Klaus würden ewig so weiterleben und nur darauf warten,
daß das Tischlein deck dich und der Goldesel sie bedienen? Aber da
irrt ihr euch. Eines Tages trat Hans vor den Vater und seine Brüder
und sprach: "Ich bin des Nichtstuns müde. Hab' ich etwa eine Handwerk
erlernt, damit ich den lieben langen Tag auf der faulen Haut liege und
die lästigen Fliegen verscheuche? Jung bin ich noch und kräftig
und kein schlechter Tischler. Will mir eine Arbeit suchen, die mich froh
und glücklich macht."
Und Klaus meinte: "Recht hat
der Hans. Ist nicht ein jeder von uns bei einem Meister in die Lehre gegangen
und hat er nicht gelernt, seinen Kopf und seine Hände zu gebrauchen.
Auch ich will nicht länger unnütz herumsitzen. Hab' in der Nähe
eine leerstehende Mühle entdeckt. Die wartet nur auf einen wie mich,
der die Mühlräder wieder in Bewegung setzt."
Peter aber bat den Vater:
"Laß mich im Schuppen neben dem Haus eine Werkstatt einrichten. Du
aber ruh dich aus. Hast genug gearbeitet in deinem Leben."
Der Vater war's zufrieden
und verschloß Nadel und Zwirn, Elle und Bügeleisen in einem
Schrank. Sodann kaufte er sich eine neue Ziege, damit sie immer frische
Milch hätten. Die führte er hinaus auf die Wiese, wo das saftigste
Gras und die süßesten Hälmchen wachsen. Was aber war mit
der ersten Ziege geschehen? Als der Schneider sie zum Teufel geschickt
hatte, ärgerte sie sich so sehr, daß sie darüber gänzlich
abmagerte und kahl wurde. Schließlich fand sie eine Fuchshöhle.
In die lief sie hinein, um sich zu verstecken. Bald darauf kam der Fuchs
nach Hause und erschrak heftig über die grimmig funkelnden Augen der
Ziege. Ängstlich lief er zum Bären. Der Bär versprach, dem
Fuchs zu helfen. Doch ach, kaum hatte der Bär den finsteren Blick
der Ziege gesehen, nahm er auch schon Reißaus. Unterwegs begegnete
ihm eine Biene. "Hast wohl einen Schreck bekommen, daß du so wild
durch die Wälder rennst?" fragte die Biene. Da erzählte der Bär
von dem teuflischen Ungeheuer in der Fuchshöhle. Die Biene lachte:
"Ich bin noch mit jedem Ungeheuer fertiggeworden." Und sie flog rasch zur
Höhle, setzte sich der Ziege mitten auf die Nasenspitze und stach
sie so gewaltig, daß die Ziege aufsprang und wie toll in die Welt
hinauslief. Seitdem hat sie niemand mehr gesehen.
"He, Soldat! Zeig mir das
Licht, das blaue Licht!"
"Wer ruft da?"
"Ich bin es, Soldat."
"Sieh einer an, welch eine
Überraschung! Ein kleiner Junge mit einer Stupsnase, so keß,
wie ich noch keine sah und Augen so flink wie ein Wiesel und Sommersprossen,
so lustig wie Sommersprossen eben sind. Na, na, nun komm schon hinter dem
Baum hervor und erzähl mir, was du hier verloren hast - mitten auf
der Landstraße, die mich heimführt in mein Dorf."
"Ich bin dir hinterhergelaufen,
weil ich das blaue Licht sehen wollte. Das war vielleicht ein SpaB, wie
du dem König eins ausgewischt hast! Ihm, seiner Tochter und dem ganzen
Hofstaat. Die Leute sagen, du bist ein Held."
"So, da sagt man also, ich
sei ein Held. Na als der König mich davongejagt hatte, war ich bestimmt
kein Held. Ich war einfach müde, hungrig und durstig und beklagte
mein Los."
"Warum hast du denn zugelassen
daß der König dich so behandelt? Hättest Ihm gleich einen
Denkzettel verpassen sollen!"
"Hast recht. Hätte ich
machen sollen, hab' ich aber nicht, weil ich damals noch nicht wußte,
was ich heute weiß. Da hieß es eines schönen Tages: Unser
König zieht in den Krieg und jeder, der kräftig und gesund ist,
wird Soldat. Da wurde nicht lange gefackelt, nicht gefragt, ob einer wollte
oder nicht. "Er ist unser König, was sollen wir tun, wir müssen
gehorchen." - so sprach ein Soldat zum andern."
"Und du, was hast du getan?"
"Ich habe mich tapfer geschlagen
im Krieg. Doch wofür das wußte ich nicht Und das war nicht gut.
Man muß wissen wofür man kämpft, wofür man sein Blut
vergießt. Der Krieg brachte dem König eine reichgefüllte
Schatzkammer, dem Volk aber nur verwüstete Äcker, zerstörte
Häuser und einen leeren Magen."
"Und darum hast du dem König
eine Lehre erteilt, stimmt's?"
"Stimmt, du Neunmalkluger.
Und wenn du so weitermachst, wird aus dir noch ein richtiger Held. Dann
sind wir zwei. Na, wie gefällt dir das?"
"Gar nicht so schlecht Was
aber ist mit dem blauen Licht?"
"Ach so ist das! Du denkst
wohl, wer das blaue Licht hat, der hat Macht? Nein, mein Lieber, so einfach
ist das nicht. Merke dir: Um einen König in die Knie zu zwingen, da
braucht es Verstand, Klugheit, List Geduld. Was aber nützen dir, Verstand,
Klugheit, List und Geduld, wenn du blind durch die Welt läufst und
über jeden Stein stolperst, der auf dem Wege liegt. Auch ich habe
früher nicht viel von dem begriffen, was um mich herum geschah. Doch
das Männchen mit dem blauen Licht hat mich Sehen gelehrt."
"Das Männchen? Wer ist
denn das?"
"Das ist mein Freund. Das ist
der beste Freund, den ich habe. Doch jetzt haben wir genug geschwätzt
Ich muß weiterziehen. Zurück in mein Dorf will ich, das Feld
bestellen, säen, ernten und den Menschen meine Geschichte erzählen.
Mach's gut, du Sommersprossengesicht Und wenn du mich brauchst, dann komme
ich."
"Gemacht. Leb' wohl, Soldat!" |